Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführender Ausschuss. Bildung. Anfechtung

 

Orientierungssatz

Die Bildung eines geschäftsführenden Ausschusses in Betrieben mit weniger als neun Betriebsratsmitgliedern nach § 28 Abs 1 BetrVG ist wegen Verstoßes gegen § 27 Abs 3 BetrVG gesetzeswidrig.

 

Normenkette

BetrVG § 28 Abs. 1, § 27 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 16.09.2010; Aktenzeichen 8 BV 19/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 14.08.2013; Aktenzeichen 7 ABR 66/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 16. September 2010 – 8 BV 19/10 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des Beteiligten zu 2) erfolgte Bildung eines „geschäftsführenden Ausschusses” des Beteiligten zu 2) mit den Mitgliedern A, B, C, D und E unwirksam ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Bildung eines „geschäftsführenden Ausschusses”.

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb Region Mitte der Beteiligten zu 1) gewählte Betriebsrat. Er besteht aus sieben Mitgliedern und tagt wöchentlich dienstags. Die Beteiligte zu 1) unterhält drei Betriebsstätten. In der letzten Amtsperiode des Beteiligten zu 2) war bis zur Betriebsratswahl im Jahr 2010 aufgrund der damals bestehenden Mitgliederzahl ein geschäftsführender Ausschuss mit fünf Mitgliedern nach § 27 BetrVG gebildet. Mit E-Mail vom 8. Juni 2010 teilte der Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 1) mit, auf einer Sitzung vom 8. Juni 2010 sei beschlossen worden, einen „geschäftsführenden Ausschuss” zu bilden. Der Ausschuss besteht aus fünf Mitgliedern des Beteiligten zu 2) und tagt wöchentlich montags. Aus den Betriebsstätten F und G kommen je zwei Betriebsratsmitglieder in den Ausschuss, aus der Betriebsstätte H eines. Dies entspricht jeweils auch der Belegschaftsstärke. Weitergehende Ausschüsse nach § 28 BetrVG bestehen bisher nicht.

Mit Antrag vom 22. Juni 2010, bei dem Arbeitsgericht Darmstadt am selben Tag eingegangen, hat die Beteiligte zu 1) die Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses zur Bildung des „geschäftsführenden Ausschusses” geltend gemacht. Sie ist der Auffassung gewesen, das Gesetz lasse die Bildung eines geschäftsführenden Ausschusses durch den Betriebsrat hier nicht zu, weil ein solcher erst bei mindestens neun Betriebsratsmitgliedern zulässig sei. Zumindest sei die Bildung ermessensfehlerhaft. Es sei kein Grund erkennbar, warum ein geschäftsführender Ausschuss montags ganztätig zusammenkommen müsse, wenn dienstags die turnusmäßige Betriebsratssitzung stattfinde, bei dem lediglich zwei weitere Betriebsratsmitglieder anwesend seien.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die mit Beschluss des Beteiligten zu 2) vom 8. Juni 2010 nach § 28 Abs.1 BetrVG erfolgte Bildung eines „geschäftsführenden Ausschusses” des Beteiligten zu 2) mit den Mitgliedern A, B, C, D und E ist unwirksam.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) ist der Auffassung gewesen, die Beteiligte zu 1) sei nicht antragsbefugt. Die Bildung eines „geschäftsführenden Ausschusses” sei bei kleineren Betrieben, die keine neun Betriebsratsmitglieder haben, die aber mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigten, grundsätzlich zulässig. Die Aufgaben könnten auch mehreren Betriebsratsmitgliedern übertragen werden. Die Bildung sei nicht ermessensfehlerhaft. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass ein Ausschuss in entsprechender Größe die laufenden Geschäfte führe. Die Dauer der turnusmäßigen Betriebsratssitzungen verkürze sich dadurch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat den Antrag durch Beschluss vom 16. Sept. 2010 – 8 BV 19/10 – zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antrag der Beteiligten zu 1) sei bereits unzulässig, weil diese nicht antragsbefugt sei. Die Beteiligte zu 1) sei nicht unmittelbar in ihren betriebsverfassungsrechtlichen Rechten betroffen. Die Antragsbefugnis ergebe sich nicht aus einer analogen Anwendung von § 19 Absatz 2 BetrVG. Die Wahlanfechtungsvorschrift könne als Regelung einer Zuständigkeitskompetenz allenfalls, außer auf die Betriebsratswahl als solche, auf die weiteren Wahlen angewendet werden, die anlässlich der Konstituierung des Betriebsrats erfolgten, nicht aber auf rein intern wirkende Geschäftsführungsbeschlüsse des Betriebsrats. Die Beteiligte zu 1) sei ausschließlich in ihren individualrechtlichen Rechten durch eine etwaige Freistellung und Entgeltfortzahlung der Mitglieder des Ausschusses betroffen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihr am 29. Sept. 2010 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 28. Okt. 2010 per Telefax Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlän...

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