Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen. Zustimmungsersetzung und Aufhebung der personellen Maßnahme bei Versäumung der doppelten Antragsteilung innerhalb der Frist des § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG 1972

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versäumung der Frist des § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellung der dort genannten Anträge hindert zum einen nicht, daß über den Zustimmungsersetzungsantrag in der Sache entschieden wird, führt zum anderen aber dazu, daß der Feststellungsantrag bezüglich der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme jedenfalls zurückzuweisen ist und weiter, daß einem Aufhebungsantrag des Betriebsrates gem. § 101 BetrVG in demselben Verfahren – auch wenn der Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers positiv beschieden wird – ohne weiteres stattzugeben ist.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 99 Abs. 4, §§ 100-101

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 23.11.1984; Aktenzeichen 1 Bv 6/84)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Arbeitsgerichts in Offenbach vom 23. November 1984 – 1 Bv 6/84 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt.

Die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung des Schichtleiters Günther Diehl aus der Abteilung „Röntgenkonfektionierung” in die Abteilung „Konfektionierung grafische Filme und Spezialprodukte” des Werkes Neu-Isenburg wird ersetzt.

Der auf vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme – Versetzung des Schichtleiters Günther Diehl – gerichtete Feststellungsantrag wird zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, die mit Wirkung vom 30. April 1984 vorläufig durchgeführte Versetzung des Schichtleiters Günther Diehl aus der Abteilung „Röntgenkonfektionierung” in die Abteilung „Konfektionierung grafische Filme und Spezialprodukte” des Werkes Neu-Isenburg aufzuheben.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligten zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der vom Antragsgegner (Betriebsrat) verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers D. als Schichtleiter aus der Abteilung „Röntgen-Konfektionierung” in die Abteilung „Konfektionierung grafischer Filme und Spezialproduktionen”, um die ebenfalls von der Antragstellerin (Arbeitgeber) beantragte Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung dieser personellen Maßnahme zum 30.4.1984 sowie um die vom Antragsgegner beantragte Aufhebung der mit Wirkung vom 30.4.1984 durchgeführten Versetzung des Schichtleiters D.

Wegen des zugrundeliegenden Sachverhaltes, des Vorbringens der Beteiligten und ihrer Anträge erster Instanz wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat antragsgemäß die verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Schichtleiters D. – ersetzt und den Antrag des Antragsgegners auf Aufhebung der Maßnahme zurückgewiesen. Den Feststellungsantrag hat das Arbeitsgericht nicht ausdrücklich in seinem Beschlußtenor beschieden, weil im Falle der – vom Arbeitsgericht angenommenen – fehlenden Offensichtlichkeit der Nicht-Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der personellen Maßnahme eine gesonderte Entscheidung über die Dringlichkeit nicht ergeben könne; es sei lediglich über die Zustimmungsersetzung zu entscheiden.

Gegen diesen dem Antragsgegner am 22.2.1985 zugestellte Beschluß, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, hat der Antragsgegner mit einem am 22.3.1985 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese dort am 22.4.1985 begründet.

Der Antragsgegner bringt vor, er könne die Aufhebung der umstrittenen personellen Maßnahme verlangen, da die Antragstellerin – wie unstreitig – nur ihren Feststellungsantrag aber nicht auch ihren Zustimmungsersetzungsantrag innerhalb der 3-Tages-Frist gestellt habe. – Unabhängig hiervon sei die Zustimmungsverweigerung zu der Versetzung auch begründet. Denn auch die durch die Versetzung des Schichtleiters D. in eine andere Abteilung bewirkt die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch Erhöhung der Arbeitsbelastung und Arbeitsverdichtung für die in der bisherigen Abteilung verbleibenden Schichtleiter stelle einen Nachteil für diese i. S. des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG dar. Dabei nicht auszuschließende Erhöhung des Arbeitsstresses könnten gesundheitlich nachteilige Folgen mit sich bringen, ja sogar wahrscheinlich machen. Leben und Gesundheit eines jeden seien aber durch Art. 2 Abs. 2 GG unter den besonderen Schutz des Staates gestellt und insoweit sei auch der Arbeitgeber gegenüber den bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern verpflichtet.

Der Antragsgegner beantragt,

  1. den Beschluß des Arbeitsgerichts Offenbach a.M. vom 23.11.1984 – 1 Bv 6/84 – aufzuheben.
  2. Die Anträge auf Zustimmung des Antragsgegners zur Versetzung des Schichtleiters G. D. aus der Abteilung „Röntgen Konfektionierung – auf die Position des Schichtleiters in der Abteilung „Konfektionierung grafische Filme und...

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