Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Entpflichtung eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts

 

Leitsatz (redaktionell)

Dass dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die Kontaktaufnahme zu dem Mandanten derzeit nicht möglich ist, stellt für sich genommen keinen schwerwiegenden Grund dar, der gemäß § 48 Abs. 2 BRAO die Aufhebung der Beiordnung rechtfertigen kann.

 

Normenkette

BRAO § 48 Abs. 2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 23.10.2017; Aktenzeichen 9 Ca 254/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 23. Oktober 2017 – 9 Ca 254/15 – wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger stritt in einem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Gießen – 9 Ca 254/15 - um die Wirksamkeit einer Kündigung und wegen der begehrten Erteilung eines Zeugnisses. Rechtsanwalt A beantragte mit Schriftsatz vom 29. September 2015 bei Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zugunsten des Klägers. Mit Beschluss vom 5. November 2015 bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. Der Rechtsstreit endete durch einen das Zustandekommen eines Vergleichs im Verfahren - 9 Ca 260/15 – feststellenden Beschluss vom 7. Dezember 2015. In diesem Vergleich war auch der Rechtsstreit - 9 Ca 254/15 - miterledigt worden.

Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 wurde die Entpflichtung als beigeordneter Rechtsanwalt beantragt (Bl. 19 des Beihefts). Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23. Oktober 2017 (Bl. 23 des Beihefts) zurückgewiesen. Der Beschluss wurde in der Kanzlei des dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalts, der seine Kanzlei in B unterhält, am 3. November 2017 zugestellt (Bl. 24 des Beihefts).

Gegen diesen Beschluss ging am 8. November 2017 ein die sofortige Beschwerde beinhaltender Schriftsatz der Anwaltskanzlei aus B vom 3. November 2017 ein. Es heißt in diesem Schriftsatz unter anderem: „…legen wir….“, „…ist für die Unterzeichner….“, „…. Kontaktaufnahme mit den Unterzeichnern….“, „…. durch die Unterzeichner….“. Er endet mit dem Satz:

“Die Unterzeichner sind zu entpflichten.“ Der Schriftsatz ist unterzeichnet von Frau Rechtsanwältin C. Diese hat ihren Kanzleisitz in D.

Das Arbeitsgericht half mit Beschluss vom 20. November 2017 der sofortigen Beschwerde nicht ab (Bl. 35 des Beihefts) und legte die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das Beschwerdegericht hat den Beschwerdeführer unter anderem dazu aufgefordert mitzuteilen, welcher der Anwälte oder Anwältinnen der Kanzlei E den Schriftsatz vom 3. November 2017 unterzeichnet habe und darum ersucht, ggf. eine Vollmachtsurkunde zu den Akten zu reichen. Darauf teilte die Kanzlei unter dem Briefbogen der B Kanzleiadresse mit, der Schriftsatz vom 3. November 2017 sei von Frau Rechtsanwältin C unterzeichnet. Eine Vollmachtsurkunde war dem Schriftsatz nicht beigefügt.

II.

Die gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 23. Oktober 2017 eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthaft. und wurde fristgerecht eingelegt (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 S. 3 ZPO).

Das Rechtsmittel ist jedoch unzulässig, da die Beschwerdeführerin, Frau Rechtsanwältin C, nicht beschwert ist. An einem Verfahren, das die Entpflichtung eines persönlich beigeordneten Rechtsanwalts betrifft, ist nicht die gesamte Kanzlei beteiligt, der der beigeordnete Rechtsanwalt angehört, sondern nur der beigeordnete Rechtsanwalt. Ein nicht beigeordneter Rechtsanwalt hat kein eigenes Beschwerderecht (Geimer in Zöller, ZPO, 32. Auflage 2017, § 127 ZPO, Rz. 20).

Mangels eigener Beschwer ist die sofortige Beschwerde daher zu verwerfen.

Da die die sofortige Beschwerde führende Rechtsanwältin – trotz Aufforderung - eine Vollmacht nicht zu den Akten gereicht hat, kann auch kein Vertretungsverhältnis angenommen werden.

Darüber hinaus wäre die sofortige Beschwerde aber auch unbegründet, denn es ist kein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung erkennbar.

Gemäß § 48 Abs. 2 BRAO kann der (beigeordnete) Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, sind an das Vorliegen eines wichtigen Grundes strenge Anforderungen zu stellen. Es muss eine unbehebbare Störung des Vertrauensverhältnisses vorliegen (BGH, NJW-RR 1992, 189), die dazu führt, dass die Zusammenarbeit im Rahmen des Mandatsverhältnisses in keiner Weise mehr gewährleistet ist (OLG Zweibrücken, NJW 1988, 570). Wichtige Gründe, die eine Entpflichtung des Rechtsanwalts rechtfertigen können, sind eine Interessenkollision, eine nachhaltige und tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Partei, die Weigerung der Partei, die unterzeichnete Prozessvollmacht an den Rechtsanwalt zu übersenden...

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