rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Organschaft bei Bestellung eines „starken” vorläufigen Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine Organschaft wird weder durch den Beginn einer Krise oder die Überschuldung der Organgesellschaft noch durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters beendet.
  2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Amtsgericht gegenüber dem Organträger ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 der Insolvenzordnung erlassen hat (so genannte „starke” vorläufige Insolvenzverwaltung), da es in diesem Fall Aufgabe des Insolvenzverwalters ist, den Geschäftsbereich zu übernehmen und fortzuführen.
 

Normenkette

UStG § 2; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2002

 

Tatbestand

1. Der Kläger war Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der A GmbH und infolge der Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an die GmbH deren Organträger.

Am 02.05.2002 wurde nach § 21 II InsO durch das Amtsgericht die vorläufige so genannte „schwache” Vermögensverwaltung für die A GmbH angeordnet, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage zu verhindern. Dazu wurde im Beschluss des Amtsgerichts bestimmt:

„Gemäß § 21 Abs.2 Ziff.2 InsO wird angeordnet, dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht allgemeiner Vertreter der Antragstellerin. Er hat die Aufgabe, durch Überwachung dessen Vermögen zu sichern und zu erhalten. Das Recht zur Arbeitgeberbefugnis verbleibt bei der Antragstellerin.”

Am 1.7.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, der GmbH die Verfügungsbefugnis entzogen und dem Insolvenzverwalter übertragen. Streitig ist, ob die Organschaft schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Krise Anfang Februar 2002 oder mit Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung am 2.5.2002 beendet worden ist. Im Verlauf der Rechtsstreitigkeiten gegen die Vorauszahlungsbescheide Februar bis Juni 2002 sind 3 Klageverfahren (sowie 4 Eilverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung bzw. wegen einstweiliger Anordnung) anhängig geworden. Am 2.11.2006 hat das FA einen Umsatzsteuerjahresbescheid 2002 erlassen.

2. Im Einzelnen liegt den drei zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Klageverfahren folgender Sachverhalt zugrunde:

a) Für den Monat Februar 2002 gab der Kläger am 15.4.2002 als Organträger vertreten durch die B Steuerberatungs GmbH eine Voranmeldung in Höhe von 58.274 € ab, der das FA am 7.5.2002 zustimmte. Hiergegen wurde am 6.8.2002 (verspätet) Einspruch eingelegt.

b) Für den Monat März 2002 gab am 12.7.2002 die C Steuerberatungsgesellschaft im Auftrag des vorläufigen Insolvenzverwalters für die GmbH eine Voranmeldung über 77.734,88 € ab. Nachdem das FA am 17.7.2002 Pfändungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger durchgeführt hatte, legte der Kläger am 6.8.2002 Einspruch „gegen alle Bescheide” ein, wobei es sich hierbei laut Schreiben vom 30.8.2002 um die Voranmeldungen Februar und März handeln soll. Nach diesem Einspruchsschreiben vom 6.8.2002 setzte das FA am 12.8.2002 gegenüber dem Kläger die Vorauszahlung für März 2002 unter Korrektur eines Rechenfehlers auf 72. 294,74 € fest. Zur Begründung des Einspruchs wurde ausgeführt, die Organschaft sei Anfang 2002 mit Beginn der wirtschaftlichen Krise beendet gewesen. Der Kläger habe das Pachtverhältnis nicht mehr kündigen können, weil es sich um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen gehandelt habe.

c) Im Anschluss an weitere Voranmeldungen, die im Auftrag des Insolvenzverwalters für die GmbH eingereicht wurden, für April 2002 (über 56.722,74 € vom 9.8.2002, Bl.33), für Mai 2002 (58.911 € vom 6.9.2002, Bl.45c) sowie für Juni 2002 (31.831 €) erließ das FA einen Vorauszahlungsbescheid gegen den Kläger für April 2002 am 12.9.2002), in dem es eine Sondervorauszahlung bei der Festsetzung der Umsatzsteuer berücksichtigte (Festsetzung auf – 23.895,38 € ). Für die Voranmeldungen der GmbH für Mai und Juni 2002 ergingen zunächst keine Bescheide gegenüber dem Kläger.

d) Am 18.10.2002 erhob der Kläger die Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 3641/02, in der er die Feststellung der Nichtigkeit der Vorauszahlungsbescheide Februar, März und April 2002 begehrte sowie hilfsweise die Aufhebung dieser Bescheide. Auf einen klageabweisenden Gerichtsbescheid, in dem ausgeführt wurde, dass die Bescheide nicht nichtig seien, die Anfechtung des Vorauszahlungsbescheides für Februar wegen verspäteten Einspruchs unbegründet und die Klage mangels abgeschlossenen Einspruchsverfahren unzulässig sei, beantragte der Kläger mündliche Verhandlung. Er bat, die Klage wegen der fehlenden Einspruchsentscheidung „als Sprungklage” zu behandeln.

e) Nach Erhebung dieser Anfechtungsklage reichte der Kläger persönlich am 22.10.2002 beim FA geänderte USt Voranmeldungen für Februar, März und April 2002 ein, in denen die Umsatzsteuer in Höhe von jeweils 504,96 € wegen Vermietungsumsätzen des Organträgers ang...

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