Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensbegriff nach § 76 BSHG. Bedarfszeit. Einkommen. Vermögen. Zufluss. Sozialhilferechts

 

Leitsatz (amtlich)

Unter Einkommen i.S.v. § 76 BSHG versteht man die Mittel, die der Hilfesuchende in der Bedarfszeit dazu erhält. Mittel, die der Hilfesuchende früher – wenn auch erst in der vorangegangenen Bedarfszeit – erhalten hat und die in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, zählen zum Vermögen i.S.v. § 88 BSHG, das der Schongrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. der Durchführungsverordnung zu dieser Norm in der jeweils gültigen Fassung unterliegt (wie BVwerG, Urt. vom 18 Februar 1999 – 5 C 35/97 –, BVerwGE 108, 296 ff.=NJW 1999, 3649f.).

 

Normenkette

BSHG §§ 76, 88 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.10.2000; Aktenzeichen 3 E 4604/00 (1))

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2000 – 3 E 4604/00 (1) – abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung seiner Bescheide vom 16. Mai 2000 und 15. August 2000 den Klägerinnen für den Monat Mai 2000 Hilfe zum Lebensunterhalt und pauschaliertes Wohngeld in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten der Klägerinnen abwenden, falls nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und pauschaliertem Wohngeld (Mietzuschuss nach §§ 31 ff. WoGG) für den Monat Mai 2000.

Einen entsprechenden Antrag der Klägerin zu 1. vom 2. Mai 2000 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2000 mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehemannes in Höhe von 2055,19 DM sei ein den laufenden Bedarf der Klägerinnen übersteigendes Einkommen in Höhe von 455,99 DM ermittelt worden, so dass laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zu gewähren sei. Den Widerspruch der Klägerinnen vom 19. Juni 2000 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2000 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt: Der Klägerin zu 1. sei der Lohn des Ehemannes am 27. April 2000 zugeflossen. Maßgebend für die sozialhilferechtliche Beurteilung hinsichtlich der Anrechung sei der Zeitraum des tatsächlichen Zuflusses mit nachfolgendem Bedarfszeitraum, nicht maßgeblich sei, wie sich das Einkommen zusammensetze (hier wohl Lohn aus Überstunden im März 2000). Bei dem Lohn handele es sich nicht um Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG, das der Schongrenze unterliege.

Die Klägerinnen haben am 15. September 2000 Klage erhoben.

Zur Begründung haben sie vorgetragen: Da der Betrag in Höhe von 2055,19 DM nicht im Bedarfszeitraum (Mai 2000) zugeflossen sei, könne er auch nicht als Einkommen, sondern allenfalls als Vermögen angesehen werden. Er zähle zum Schonvermögen. Sie, die Klägerin zu 1., habe ein privates Darlehen, das die Eheleute im Januar/Februar wegen finanzieller Engpässe aufgenommen hätten, in Höhe von 1000,00 DM zurückzahlen müssen. Darüber hinaus hätte sie Kfz.-Steuern in Höhe von 211,00 DM zahlen sowie einen Strafzettel (10,00 DM) und zwei Raten an die Staatsanwaltschaft B-Stadt als Geldstrafe wegen eines Verkehrsdeliktes (300,00 DM) begleichen müssen. Auch habe sie von dem genannten Betrag die Telefonrechnung für März/April 2000 (276,99 DM) sowie Sommersandalen für die Kinder (130,00 DM) bezahlt.

Die Klägerinnen haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2000 zu verpflichten, ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Mai 2000 und pauschales Wohngeld für den Monat Mai 2000 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in seinem Widerspruchsbescheid vom 15. August 2000.

Mit Urteil vom 20. Oktober 2000, den Klägerinnen zugestellt am 25. Oktober 2000, hat das Verwaltungsgericht – im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung – die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der Beklagte gehe zu Recht davon aus, dass die Nachzahlung für Überstunden des Ehemannes der Klägerin zu 1., die am 27. April 2000 auf dem Konto der Klägerin zu 1. gutgeschrieben worden sei, als Einkommen für den Bedarfsmonat Mai in Ansatz zu bringen sei. Nach der Zuflusstheorie könne nicht zweifelhaft sein, dass die Ende April 2000 eingegangene Zahlung für den nachfolgenden Bedarfszeitraum Mai 2000 bei wirtschaftlicher Betrachtung zur Verfügung gestanden und die Mittel der Bedarfsgemeinschaft für diesen Bedarfsmonat erhöht habe. Für den Bedarfszeitraum April 2000 habe dieser Betrag ersichtlich nicht zur Verfügung gestanden, da er erst am Monatsende eingegangen sei. Deshalb habe es s...

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