Leitsatz (amtlich)

1. Sowohl die Untersagung unerlaubter Finanzdienstleistungsgeschäfte als auch die Anordnung der Abwicklung betreffen das Vermögen und damit die Insolvenzmasse der Gemeinschuldnerin, so dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber den Anordnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist.

2. Dies führt auch dann nicht zu verfassungsrechtlich bedenklichen Rechsschutzlücken, wenn die Insolvenzgerichte bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht inzidenter die Rechtmäßigkeit der Abwicklungsanordnung überprüfen.

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 1 G 1938/05(V))

 

Nachgehend

OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.09.2012; Aktenzeichen 1 A 10423/12)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 12. September 2005 (Geschäftsnummer 67c IN 312/05) seit diesem Zeitpunkt gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist.

 

Gründe

Der Senat hat über die Frage, ob die gesetzliche Unterbrechungswirkung in § 240 Satz 1 ZPO eingetreten ist, eine förmliche Zwischenentscheidung zu treffen, da diese Frage zwischen den Beteiligten streitig ist und es insbesondere der Antragstellerin möglich sein muss, ihre Auffassung, der vorliegende Verfahrensgegenstand sei durch die Insolvenzeröffnung nicht betroffen und die Unterbrechungswirkung deshalb nicht eingetreten, zum Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung und Entscheidung zu machen, weil hiervon abhängt, ob sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Entscheidung des Senats zur Sache erlangen kann.

Es ist festzustellen, dass das Beschwerdeverfahren nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist, da durch den Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 12. September 2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin eröffnet wurde und der Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens insgesamt die Insolvenzmasse betrifft. Ein anhängiges Verfahren betrifft die Insolvenzmasse (§ 35 InsO), wenn es zu ihr in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht. Das im Verfahren für oder gegen den Insolvenzschuldner geltend gemachte Recht muss ganz oder teilweise zu Gunsten oder zu Lasten des zur Insolvenzmasse gehörenden Schuldnervermögens in Anspruch genommen werden. Dies ist nicht nur bei Verfahren der Fall, die unmittelbar eine Insolvenzforderung zum Gegenstand haben, sondern auch bei Klagen, die Voraussetzungen einer Insolvenzforderung oder Rechtsverhältnisse, von denen eine die Insolvenzmasse betreffende Forderung abhängt, klären sollen. Auch bei Klagen, die der Vorbereitung eines aktiv oder passiv die Masse betreffenden Anspruchs dienen, besteht die in § 240 ZPO vorausgesetzte Beziehung zur Insolvenzmasse, so dass der Rechtsstreit unterbrochen wird. Weiterhin ist bei Rechtsstreitigkeiten über Unterlassungsansprüche, die ein Verhalten zu unterbinden suchen, für das der Insolvenzschuldner ein Recht zur Seite zu haben glaubt, das im Falle seines Bestehens zur Insolvenzmasse gehören würde, oder die in anderer Weise die Insolvenzmasse berühren, eine solche ausreichende Beziehung zur Insolvenzmasse und damit der Eintritt der Unterbrechungswirkung anzunehmen. Demgegenüber werden nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten, in denen es um höchstpersönliche Rechte geht, nicht unterbrochen, weil sie die Insolvenzmasse weder betreffen noch irgendwelchen Bezug auf die Insolvenzmasse haben (vgl. zum Vorstehenden: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, Kommentar, 12. Aufl., § 85, Rdnr. 8 ff., m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen betreffen die sofort vollziehbaren Regelungen in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Juni 2005, denen gegenüber die Antragstellerin im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht, in vollem Umfang die Insolvenzmasse. Dies kann von vornherein für diejenigen Regelungen nicht zweifelhaft sein, mit denen unmittelbar Zahlungspflichten der Antragsstellerin begründet werden (Zwangsgeldandrohungen in den Nrn. VI und IX der Verfügung sowie die Gebührenfestsetzung Nrn. VII der Verfügung).

Auch die Untersagung des von der Antragsgegnerin so eingestuften unerlaubten Finanzkommissionsgeschäfts und die diese Regelung ergänzende Untersagung der Werbung für Finanzkommissionsgeschäfte (Nrn. I und II der Verfügung) betreffen die Insolvenzmasse. Wie bereits das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in seinem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Beschluss vom 16. Juli 2004 (Az.: 9 G 7426/03) zutreffend dargelegt hat, entspricht die hoheitliche Untersagung der unerlaubten Geschäfte in Bezug auf die Insolvenzmasse der Situation einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage, die den Gewerbebetrieb eines Gemeinschuldners betrifft. Wie bereits ausgeführt ist bei solchen Unterlassungsklagen anerkannt, dass sie die Insolvenzmasse betreffen und eine Unterbr...

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