Leitsatz

Das Musizieren (auch berufsbedingt) kann in einer Hausordnung einer größeren Gemeinschaft mit liberalen Nutzungsvereinbarungen nicht zu weitgehend eingeschränkt werden

 

Normenkette

(§§ 14 Nr. 1, 15 WEG)

 

Kommentar

1. Gestattet die Gemeinschaftsordnung in einer großen, im Innenstadtbereich gelegenen Wohnanlage die Nutzung von Wohnungs- und Teileigentum ohne Benutzungsbeschränkung und insbesondere auch zur beliebigen gewerblichen Nutzung sowie zur Ausübung eines freien Berufs, so entspricht eine Beschränkung des Musizierens in der Hausordnung, die keine Ausnahme für berufsbedingt musizierende Bewohner vorsieht, nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

2. Grundsätzlich liegt es im Ermessensspielraum der Eigentümer, allgemeine Ruhezeiten auch durch Beschluss festzulegen (BGHZ 139, 288 und Senat, BayObLGZ 1985, 104; 2001, 232). Die Grenze ist nach Treu und Glauben dort zu ziehen, wo der Beschluss entweder ein völliges Musizierverbot oder eine dem praktisch gleichzusetzende Reglementierung enthält. Denn das Musizieren innerhalb der eigenen 4 Wände ist Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens und Element der Zweckbestimmung einer Wohnanlage; es darf allein auf bestimmte Zeiten und einen bestimmten Umfang beschränkt, jedoch nicht insgesamt verboten werden. In einer Wohnanlage mit mehr als 200 Wohn- und Büroeinheiten ist es auch nicht fernliegend, dass Sondereigentum von Personen genutzt wird, die professionell musizieren, sei es, dass sie die Räume zu privatem Musikunterricht nutzen, sei es, dass sie als "ausgebildete oder noch studierende" Berufsmusiker in ihrer Wohnung üben. Für diesen Personenkreis kann jedenfalls schon wegen der vorliegend vorrangigen Regelungen der Gemeinschaftsordnung das Musizieren durch die Hausordnung in hier beschlossener Form nicht beschränkt werden. Eine Beschränkung auf ein Musizieren nur als Freizeitbeschäftigung entspricht nicht Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. In seiner Entscheidung v. 2.5.1985 (WM 1985, 233; vgl. auch Müller, 3. Aufl., Rn. 214 bei Fn. 411) hat der Senat bereits eine Hausordnung für unwirksam erachtet, die keine differenzierende Regelung für Teileigentümer enthielt, die zulässigerweise ein zwangsläufig mit Lärm verbundenes Gewerbe in der Wohnanlage betreiben. Umgekehrt kann es der in der Teilungserklärung festgelegte besondere Zweck einer Wohnanlage (z.B. als Seniorenwohnanlage bei Ausschluss eines größeren Publikumsverkehrs) mit sich bringen, dass auch die Hausordnung dem gesteigerten Ruhebedürfnis der Bewohner etwa durch ein Verbot stationärer, ortsgebundener Klimageräte Rechnung trägt (vgl. BayObLG, WM 2001, 403).

3. Bei Teilunwirksamkeit eines Eigentümerbeschlusses findet § 139 BGB entsprechend Anwendung. Weitere beschlossene Regelungen zur Hausordnung bleiben damit gültig.

4. Keine Erstattung außergerichtlicher Kosten aufgrund unterschiedlicher Instanzentscheidungen bei Geschäftswert III. Instanz von 2.500 EUR.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 28.02.2002, 2Z BR 141/01)

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