Leitsatz (amtlich)

Auch dann, wenn eine Haltverbotszone zu dem Zweck eingerichtet worden ist, einem Privaten die Nutzung von Straßenverkehrsflächen für Dreharbeiten zu ermöglichen, sind die Kosten der Ersatzvornahme, die durch das Abschleppen eines Kraftfahrzeugs aus der Haltverbotszone entstanden sind, gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG von dem Halter des Kraftfahrzeugs als dem „Pflichtigen” und nicht von dem nutzungsberechtigten Privaten zu erstatten.

§ 15 Abs. 1 HmbVwVG betrifft allein die Auswahl des Zwangsmittels sowie die Art und Weise seiner Anwendung, nicht auch die Verhältnismäßigkeit der Kostenerstattungspflicht bei einer rechtmäßig durchgeführten Ersatzvornahme. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann der Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVG im Einzelfall Grenzen setzen, ohne dass die Gültigkeit dieser Norm selbst Zweifeln unterliegt. Die Kostenerstattungspflicht des Kraftfahrzeughalters ist nicht deshalb wegen besonderer Umstände unangemessen, weil das Haltverbot zugunsten einer Sondernutzung der Verkehrsfläche eingerichtet worden ist.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Urteil vom 06.12.2002)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. Dezember 2002 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Kostentragungspflicht für das Abschleppen seines Pkw.

Der Kläger ist Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen …. Diesen parkte er am 1. April 2001 in der L. Straße gegenüber dem Haus Nr. 57 in Hamburg. Danach trat er eine zweiwöchige Urlaubsreise an. Am 4. April 2001, einem Mittwoch, wurden im Bereich der L. Straße Bedarfshaltverbotszonen (Verkehrszeichen 283) für den Zeitraum 9. und 10. April 2001 von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr eingerichtet. Grund hierfür waren Dreharbeiten der Produktion Großstadtrevier an diesen Tagen. Am 9. April 2001 war das Fahrzeug des Klägers zwischen 8.50 Uhr und 10.20 Uhr weiterhin in der L. Straße geparkt. Auf Veranlassung eines Polizeibediensteten wurde das Fahrzeug beiseite geräumt. Das beauftragte Abschleppunternehmen stellte der Beklagten hierfür DM 121,80 in Rechnung.

Mit Bescheid vom 1. August 2001 setzte die Beklagte die Kosten für das Abschleppen in Höhe von DM 198,90 fest. Der Kläger erhob am 4. September 2001 Widerspruch. Zur Begründung brachte er vor, dass zu dem Zeitpunkt, als er sein Fahrzeug abgestellt habe, dort weder das Halten noch das Parken verboten gewesen sei. Die Einrichtung einer Bedarfshaltverbotszone sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen. – Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2001, dem Kläger durch Niederlegung zugestellt am 15. November 2001, zurück: Die Anordnung, das Fahrzeug abschleppen zu lassen, sei rechtmäßig gewesen. Das Fahrzeug habe Filmarbeiten behindert, für die eine Sondernutzungserlaubnis bestanden habe. Das Haltverbot sei ordnungsgemäß und rechtzeitig aufgestellt worden. Zwischen dem Aufstellen und dem Abschleppzeitpunkt hätten – wie die höchstrichterliche Rechtsprechung verlange – vier Tage gelegen. Ein Fahrzeughalter könne nicht darauf vertrauen, dass sich die Verkehrsverhältnisse im öffentlichen Verkehrsraum nicht änderten.

Mit der am 10. Dezember 2001 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen: Einen Verkehrsteilnehmer für verpflichtet anzusehen, im Abstand von wenigen Tagen zu überprüfen, ob dem Parken irgendwelche Hindernisse entgegenstünden, gehe selbst für großstädtische Verhältnisse zu weit. Auch die Bewohner Hamburgs seien einmal für kurze oder längere Zeit ortsabwesend und könnten dann die geforderte Kontrolle nicht ausüben. – Von besonderer Bedeutung sei hier, dass die Einrichtung der Haltverbotszone und das Abschleppen des Fahrzeugs nicht in Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern in einer ausschließlich privaten Nutzung der Straße außerhalb des Widmungszwecks für Filmarbeiten ihre Ursache gehabt hätten. In derartigen Fällen müsse die Beklagte die Erlaubnis zur Sondernutzung mit einer Einschränkung dahingehend versehen, dass die vorhersehbar entstehenden Kosten, zu denen die Kosten für das Abschleppen nicht weggefahrener Fahrzeuge gehörten, von dem jeweiligen Begünstigten zu tragen seien. Es sei unverhältnismäßig, bei einer Absperrung zugunsten privatwirtschaftlicher Nutzung den Halter oder Fahrer des Pkw zu den Abschleppkosten heranzuziehen, obwohl dieser sich als Verkehrsteilnehmer ursprünglich rechtmäßig verhalten habe. Die öffentliche Hand müsse die Kosten von demjenigen erstattet verlangen, der für das Haltverbot verantwortlich sei und damit in erster Linie „störe”, weil er die Straße entgegen ihrem Widmungszweck für Filmarbeiten nutze.

Der Kl...

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