Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 04.07.2005)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 4. Juli 2005 zu Nr. 2 geändert.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. April 2005 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Verfahren des ersten Rechtszuges – insoweit unter Änderung des angefochtenen Beschlusses – und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 3.750,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung zu Unrecht wiederhergestellt.

1) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides und die dafür gegebene Begründung sind nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung hat stärkeres Gewicht als das Interesse des Antragstellers daran, bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen. Das ergibt sich daraus, dass sein Widerspruch bzw. die ihn ablösende Klage wenig Aussicht auf Erfolg bieten. Da der Antragsteller demgemäß nach summarischer Prüfung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden muss, wäre es nicht zu verantworten, ihn weiter am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, mit der Folge, dass dadurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet würden. Angesichts der irreparablen Folgen, zu denen ein von einem ungeeigneten Kraftfahrer verursachter Verkehrsunfall führen kann, ist es unbedenklich, wenn die Behörde bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen die sofortige Vollziehung nicht nur ausnahmsweise, sondern in der Masse der Fälle anordnet (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.6.2005 – 3 Bs 72/05; Beschl. v. 25.4.1995 – Bs VII 42/95; VGH Mannheim, Beschl. v. 24.6.2002, zfs 2002 S. 504, 505; OVG Münster, Beschl. v. 22.1.2001, NJW 2001 S. 3427).

Die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung ist mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Das Beschwerdegericht vermag im Hinblick auf das in Rede stehende Sachgebiet nicht anzuerkennen, dass die sofortige Vollziehung, die hier der Abwehr von Gefahren für elementare Rechtsgüter dient, nur ausnahmsweise angeordnet werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zwar eine Verwaltungspraxis, die Verwaltungsakte generell für sofort vollziehbar erklärt und damit das auf Art. 19 Abs. 4 GG beruhende Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt, mit der Verfassung nicht vereinbar (vgl. z.B. Beschl. v. 13.6.1979, BVerfGE Bd. 51 S. 268, 285). Dies kann jedoch nur für den Bereich der Verwaltung insgesamt gelten, nicht aber für bestimmte Kategorien von Verwaltungsakten, die typischerweise der Bekämpfung von Gefahren für Gesundheit und Leben dienen (zu nennen wären neben dem Straßenverkehrsrecht etwa noch bestimmte Maßnahmen auf dem Gebiet des Waffenrechts). Auch die in § 111 a StPO getroffene Regelung, die es gestattet, die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen, spricht dagegen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung von Verwaltungsakten, mit denen die Fahrerlaubnis entzogen wird, die Ausnahme sein soll. Die Vorschrift richtet sich zwar unmittelbar nur an den Strafrichter, doch lässt sich ihr im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass allgemein einem als ungeeignet erkannten Kraftfahrer mit sofortiger Wirkung die Befugnis entzogen werden soll, ein Kraftfahrzeug zu führen.

Daraus folgt, dass die Begründung, die die Antragsgegnerin ihrer Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben hat, § 80 Abs. 3 VwGO gerecht wird. Die Antragsgegnerin hat sowohl im Erstbescheid als auch im Widerspruchsbescheid vom 26. August 2005 ausgeführt, dass Personen, die zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet seien, zum Schutz von Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer unverzüglich von der „motorisierten Teilnahme” am Straßenverkehr ausgeschlossen werden müssten. Eine Abwägung des Interesses der Allgemeinheit mit dem des Antragstellers falle zu dessen Nachteil aus. Damit hat die Antragsgegnerin deutlich gemacht, dass der Antragsteller ohne die Anordnung des Sofortvollzugs vor Unanfechtbarkeit der Verfügung vom 21. April 2005 hochrangige Rechtsgüter anderer Menschen gefährden könnte. Dies zeigt, dass einer der Zwecke des § 80 Abs. 3 VwGO, nämlich die Verwaltung dazu anzuhalten, die Notwendigkeit einer sofortigen Vollziehung sorgfältig zu prüfen, hier erreicht worden ist. Die Begründung genügt darüber hinaus dem weiteren Zweck der Vorschrift, den betroffenen Bürger in die Lage zu versetzen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen.

Dem Antragsteller ist zwar einzuräumen, dass die von der Antragsgegnerin gewählte Begründung mehr oder weniger für sämtliche Fälle der Entziehung einer Fahrerlaubnis passt. Diese Allgemeinheit ist jedoch kein Mangel, der die Beanstandung der Begründung ...

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