1 Leitsatz

Besteht eine Haftungsklausel, bedarf auch die unentgeltliche Übertragung eines Wohnungseigentums einer familiengerichtlichen Genehmigung.

2 Normenkette

§ 1822 Nr. 10 BGB; § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG

3 Das Problem

Nach § 11 einer Gemeinschaftsordnung haften die Sondernachfolger der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner für rückständige Lasten und Kosten (…) sowie für andere Forderungen aller Art. Vor diesem Hintergrund will Wohnungseigentümer K sein Wohnungseigentum unentgeltlich auf den Minderjährigen B übertragen. Die Beteiligten bewilligen den Eigentumsübergang und beantragen die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch. Am 14.3.2022 genehmigt eine gerichtlich bestellte Ergänzungspflegerin alle in der Urkunde abgegebenen Erklärungen. In der Folge beantragt der Urkundsnotar den Vollzug im Grundbuch.

Das AG – Grundbuchamt – moniert, es fehle noch an einer familiengerichtlichen Genehmigung des Überlassungsvertrags. Diese sei aber gem. § 1822 Nr. 10 BGB erforderlich, weil B nach § 11 der Gemeinschaftsordnung mit dem Vollzug der Auflassung fremde Verbindlichkeiten übernehme. Dagegen wendet sich der Urkundsnotar. Er meint, die Rechtsfolge aus der Gemeinschaftsordnung stelle keine Gegenleistung des Erwerbers für die Übertragung der Immobilie dar. Sie sei "lediglich automatische Folge des Eigentumserwerbs".

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Grundbuchamt verlange zu Recht eine familiengerichtliche Genehmigung. Denn die Auflassung an B unterfalle § 1915 BGB i. V. m. § 1822 Nr. 10 BGB. Die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit liege auch dann vor, wenn der Minderjährige gemeinsam mit einem Dritten die gesamtschuldnerische Haftung für eine Verbindlichkeit übernehme, die im Innenverhältnis der Dritte zu tragen habe und die deshalb ihm wirtschaftlich zuzuordnen sei. § 1822 Nr. 10 BGB solle verhindern, dass eine Schuld nur wegen der Möglichkeit des Rückgriffsanspruchs als vermeintlich risikolos übernommen werde.

So liege der Fall aber. Mit dem dinglichen Rechtserwerb trete B in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 9.7.1980, V ZB 16/79) und hafte damit infolge der Verdinglichung der Gemeinschaftsordnung auch für die vor seinem Eigentumserwerb begründeten "Lasten und Kosten (…) sowie für andere Forderungen aller Art der Gemeinschaft". Es komme nicht darauf an, ob die Heranziehung zur Haftung wahrscheinlich sei oder ob die Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen aus § 426 BGB möglich erscheine (Hinweis auf BGH, Urteil v. 8.5.1973, IV ZR 8/72). Es gelte vielmehr im Interesse des Mündels bzw. Minderjährigen ein abstrakter Maßstab (Hinweis auf OLG München, Beschluss v. 22.8.2012, 34 Wx 200/12).

5 Hinweis

Problemüberblick

Ein Wohnungseigentümer will sein Wohnungseigentum einem Minderjährigen schenken. Dafür kann es viele Gründe geben, u. a. eine vorweggenommene Erbfolge, um Steuern zu sparen. Im Fall kommt dem Wohnungseigentümer, der dieses Ziel ggf. im Auge hat, das Grundbuchamt in die Quere. Es verweist auf § 1822 Nr. 10 BGB. Danach bedarf der Vormund zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit, insbesondere zur Eingehung einer Bürgschaft, einer Genehmigung des Familiengerichts. Eine solche "Verbindlichkeit" können beispielsweise die Hausgeldschulden eines Wohnungseigentümers sein. Für diese haftet ein Sondernachfolger grundsätzlich zwar nicht. Etwas anderes gilt aber, wenn die Wohnungseigentümer eine sog. Haftungsklausel vereinbart und zum Inhalt des Sondereigentums gemacht haben. Denn in diesem Fall kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei der Umschreibung fälliges Hausgeld nicht nur vom Wohnungseigentümer verlangen, der sein Wohnungseigentum veräußert hat, sondern daneben auch von seinem Sondernachfolger.

Übernahme einer fremden Verbindlichkeit

Die Argumentation des Notars, die Haftung des B für etwaige Hausgeldschulden des K sei "lediglich automatische Folge des Eigentumserwerbs" stimmt. Diese Überlegung ändert aber nichts daran, dass B für die Hausgeldschulden haften würde. Insoweit ist dem OLG zuzustimmen, dass es einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf.

Gesetzesänderung

Für einen unentgeltlichen Wohnungseigentumserwerb durch Minderjährige gilt ab dem 1.1.2023 die familiengerichtliche Genehmigungspflicht unabhängig von den vorstehend erläuterten Grundsätzen gem. § 1850 Nr. 4 BGB i. V. m. §§ 1799 Abs. 1, 1813 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch für Betreute.

WEG-Reform 2020

Die WEG-Reform 2020 hat für Haftungsklauseln die Karten etwas neu gemischt. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 WEG sind Klauseln, die die Haftung von Sondernachfolgern für Geldschulden anordnen, ausdrücklich einzutragen. Dies gilt nach § 48 Abs. 3 WEG auch für Haftungsvereinbarungen und -beschlüsse, die vor dem 1.12.2020 getroffen oder gefasst wurden.

Hieraus folgt aktuell, dass Verwaltungen prüfen müssen, ob es in den Gemeinschaftsordnungen der Wohnungseigentumsanlagen, die sie verwalten, eine Haftungsklausel gibt. Ist es so, muss die nachträgliche Eintragung bis zum 31.12.2025 bewirkt werden. Denn den entsprechenden Antrag kann nach § 7 Abs. 2 Satz 2 WEG auch die Gem...

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