Leitsatz

  1. Haftung des Zwangsverwalters gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft
  2. Auch die Wohnungseigentümergemeinschaft kann "Beteiligte" i.S.v. § 154 Satz 1 ZVG sein
 

Normenkette

§§ 9, 154 Satz 1 ZVG

 

Kommentar

  1. Vorliegend klagte die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Zwangsverwalter u. a. auf Wohngeldzahlungen und Schadensersatz.
  2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts (vgl. NZM 2007, S. 451 = ZMR 2007, S. 800 mit Anmerkung Müller in ZMR 2007, S. 747) kann auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft"Beteiligte" i.S.v. § 154 Satz 1 ZVG sein und damit auch unter dortigen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche geltend machen. Insoweit ist nicht auf § 9 ZVG und die dortige Definition zu "Verfahrensbeteiligten" in einschränkender Weise abzustellen. Ein Zwangsverwalter ist "allen Beteiligten" für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen, d.h. verwalterspezifischen Pflichten verantwortlich. Der Begriff der "Beteiligten" in § 154 ZVG entspricht nicht demjenigen formell am Verfahren Beteiligter in § 9 ZVG, sondern beschreibt – analog auch zu § 60 InsO – diejenigen Personen, denen gegenüber das ZVG dem Zwangsverwalter als Partei kraft Amtes spezifische Pflichten auferlegt. Eine unmittelbare Beteiligung am Verfahren ist auch hier nicht erforderlich. Die Haftung des Zwangsverwalters ist an dessen gesetzlichen Pflichten und nicht allein am formellen Beteiligtenbegriff des § 9 ZVG auszurichten. Grund der Haftung eines Zwangsverwalters ist auch nicht die Beteiligung am Verfahren, sondern sein Pflichtenkreis. Dass ein Zwangsverwalter dann, wenn die Zwangsverwaltung über den Zuschlag hinaus fortdauert, auch dem Ersteher eines Grundstücks haftet, hat der BGH auch bisher schon damit begründet, dass der Verwalter Pflichten gegenüber dem Ersteher zu erfüllen hat (vgl. BGH, Urteil v. 11.10.2007, IX ZR 156/06).
  3. Vorliegend hat der Zwangsverwalter Wohngeldzahlungspflichten verletzt, ebenso die Pflicht aus § 155 Abs. 1 ZVG, aus den Nutzungen des Grundstücks die Ausgaben der Verwaltung vorweg zu bestreiten. Die Zahlungspflicht obliegt dem Zwangsverwalter auch und gerade gegenüber der Eigentümergemeinschaft und verschafft dieser nicht allein einen neuen Schuldner. Dem die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubiger gebührt nur der Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben, wie sich dies aus § 155 Abs. 1 ZVG deutlich ergibt. Auf die Streitfrage, ob hier nur solche Ausgaben von § 155 Abs. 1 ZVG erfasst sind, die während der Zwangsverwaltung fällig werden, oder auch solche Ausgaben, die schon vor der Beschlagnahme entstanden sind (vgl. hier Nachweise bei Müller, ZMR 2007, S. 747, 750), kommt es vorliegend – bezogen auf den Forderungszeitraum – nicht an.
  4. Was Sonderumlagen betrifft, die während des Zwangsverwaltungsverfahrens beschlossen wurden, handelt es sich grundsätzlich ebenfalls um "Ausgaben der Verwaltung" i.S.v. § 155 Abs. 1 ZVG, da diese auch dazu dienen, das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten (h.M.). Ob dies auch dann gilt, wenn durch solche Sonderumlagen Wohngeldausfälle nachfinanziert werden sollen, die aus dem beschlagnahmten Objekt herrühren, ist allerdings zweifelhaft. Die Streitfrage musste allerdings im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, da laut Tatbestand des landgerichtlichen Urteils die Sonderumlage "zum Ausgleich für bis dahin angefallene fällige Forderungen und dem Aufbau einer ausreichenden Liquidität und der Bildung einer Reserve" beschlossen wurde.
  5. Die im Zusammenhang mit dem gegen die Sonderumlage gerichteten Anfechtungsantrag entstanden Gerichts- und Anwaltskosten sind schließlich als Kosten der Zwangsverwaltung ebenfalls gemäß § 155 Abs. 1 ZVG vorab zu begleichen.
  6. Was die vorrangig vor der Verteilung des Erlöses an die Gläubiger zu begleichenden Ausgaben der Verwaltung betrifft, können sich diese nur auf die aus jeder einzelnen Wohnungseigentumseinheit tatsächlich gezogenen Nutzungen beziehen (vgl. BGH, Beschluss v. 20.11.2008, V ZB 81/08, Rn. 10).
  7. Eine Pflichtverletzung nach § 154 ZVG kann auch darin liegen, dass ein Zwangsverwalter von einer Zwangsverwaltungsgläubigerin keine weiteren Vorschüsse zur Deckung der Kosten einer Zwangsverwaltung anfordert.
  8. Allerdings hat ein Zwangsverwalter vor Erhebung einer Klage (auch Beschlussanfechtungsklage) nicht die Deckung etwaiger Kostenerstattungsansprüche der Gegenseite zu prüfen. Eine Deckung eigener Prozesskosten durch einen unterlegenen Gegner gehört vielmehr zu den allgemeinen Prozessrisiken einer (obsiegenden) Partei.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 5.2.2009, IX ZR 21/07

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