Leitsatz

  1. Sind nach dem Erbfall fällig gewordene Wohngeldschulden Nachlass- oder (auch) Eigenverbindlichkeiten des/der Erben?
  2. Jedenfalls auch von Eigenverbindlichkeiten eines Erben ist auszugehen, wenn ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann
  3. Spätestens ist in der Regel von Eigenhaftung des Erben auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit einer Wohnungsnutzung bzw. -verfügbarkeit zusteht
  4. Zur Klärung der bisher nicht vollständig erörterten rechtlichen Gesichtspunkte und zu ergänzendem Vortrag war der Streit an das Berufungsgericht (LG Düsseldorf) zurückzuverweisen
 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG; §§ 1922, 1990, 1967 Abs. 2 und 1975 ff. BGB; § 780 ZPO

 

Kommentar

  1. Im Rahmen einer Wohngeldrückstandsklage der Gemeinschaft gegen Wohnungserben hat das Amtsgericht die beklagten Erben, welche die Überschuldung des Nachlasses einwenden, durch Teilurteil zur Zahlung von Wohngeldern unter Beschränkung der Haftung auf den Nachlass verurteilt. Auf die Berufung der klagenden Gemeinschaft hin änderte das Landgericht das Urteil dahingehend, dass es den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung aufhob.

    Dem trat der Senat entgegen, da es sich auf der Grundlage bisher getroffener Feststellungen nicht beurteilen lasse, ob die beklagten Erben berechtigt seien, ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

  2. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet ein Erbe für Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d.h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen; allerdings kann er seine Haftung auf den Nachlass beschränken (§§ 1975 ff. BGB). Die Haftungsbeschränkung kann er gemäß § 780 Abs. 1 ZPO nur dann im Vollstreckungsverfahren geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten wurde. Voraussetzung für einen Vorbehalt ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit in Anspruch genommen wurde (h.M.). Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt ein solcher Vorbehalt nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.
  3. Bisher höchst umstritten ist es, ob bei nach einem Erbfall entstandenen Wohngeldschulden von Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) Eigenverbindlichkeiten zu sprechen ist. Teils wird vertreten, dass es sich um reine Nachlassverbindlichkeiten handelt. Überwiegend modifiziert wird diese Meinung jedoch, sodass dann von einer Eigenverbindlichkeit eines Erben mit persönlicher Vermögenshaftung auszugehen ist, wenn ein Erbe zu erkennen gebe, dass er die Wohnung für sich behalten wolle. Nach anderer Auffassung wird differenziert, ob die Wohngeldschuld ihre Grundlage in einem bereits vor einem Erbfall gefassten Beschluss hat oder auf einem erst danach gefassten Beschluss beruht. Bei Rückständen vor Beschlussfassung wird vertreten, dass es sich um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, da ein solcher Beschluss noch unter Mitwirkung oder zumindest Mitwirkungsmöglichkeit des Erblassers zustande gekommen sei. Ist demgegenüber Anspruchsgrundlage ein nach dem Erbfall gefasster Eigentümerbeschluss, sei jedenfalls auch von Eigenverbindlichkeiten des Erben zu sprechen, mit der Folge, dass auch keine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich sei. Insoweit entstehe die Verbindlichkeit mit Beteiligung eines stimmberechtigten Erben im Sinne eines ihm zuzurechnenden Rechtsgeschäfts. Verwiesen wird nach dieser Meinung auch darauf, dass ein Erbe für Wohngeldverbindlichkeiten primär aufgrund seiner Stellung als Wohnungseigentümer und nicht als Erbe hafte.
  4. Die Streitfrage wird vom Senat im Ergebnis dahingehend entschieden, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben im Regelfall (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und er seine Haftung daher insoweit nicht auf den Nachlass beschränken kann (zur Testamentsvollstreckung vgl. BGH, Urteil v. 4.11.2011, V ZR 82/11, NJW 2012 S. 316/317).

    Zu Nachlassverbindlichkeiten zählen gemäß § 1967 Abs. 2 BGB die "vom Erblasser herrührenden Schulden", also bereits im Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erblassers bereits begründete Verpflichtungen sowie "die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten", also Schulden, die erst nach und aus Anlass des Erbfalls entstanden sind. Zu Letzteren können auch Verbindlichkeiten gehören, die nach dem Erbfall im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses entstehen. Dies wird angenommen für Verbindlichkeiten aus Rechtshandlungen eines Nachlassverwalters und eines Nachlassinsolvenzverwalters, ggf. auch eines Nachlasspflegers. Für den Testamentsvollstrecker ergibt sich dies ausdrücklich aus § 2206 BGB; er kann im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen; der Erbe ist zur Einwilligung in derartige Verbindlichkeiten verpflichtet, kann die Haftung allerdings auf den Nachlass beschränken.

    Geht der Erbe selbst im Rahmen "eige...

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