7.1 Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs

Richtigkeitsvermutung

Es wird positiv vermutet, dass ein im Grundbuch eingetragenes Recht dem eingetragenen Berechtigten mit dem eingetragenen Inhalt zusteht (§ 891 Abs. 1 BGB). Es besteht ferner die negative Vermutung, dass ein im Grundbuch eingetragenes Recht, wenn es gelöscht ist, für die Zeit nach der Löschung nicht mehr besteht (§ 891 Abs. 2 BGB). Diese gesetzliche Vermutung bedeutet, dass derjenige, der die Unrichtigkeit behauptet, sie beweisen muss. Erschütterung der Vermutung genügt nicht. Die Beweislast trifft, weil die Vermutung zu widerlegen ist, denjenigen, der das Gegenteil behauptet. Die Richtigkeitsvermutung gilt für jedermann, auch für das Grundbuchamt.

7.2 Öffentlicher Glaube des Grundbuchs

7.2.1 Grundsätze des Gutglaubensschutzes

Das formelle Konsensprinzip (Abschn. 6.2) mit seinem Verzicht auf den Nachweis der materiellen Einigung, aber auch Rechtsänderungen außerhalb des Grundbuchs (z. B. Vereinbarung der Gütergemeinschaft, Nichtvalutierung einer Hypothek) sowie Änderungen in der Verfügungsbefugnis (beispielsweise Insolvenz des Eigentümers) können bewirken, dass der Inhalt des Grundbuchs mit der materiellen Rechtslage nicht (mehr) übereinstimmt. Deshalb schützt das materielle Liegenschaftsrecht (§§ 892, 893 BGB) das Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs mit der unwiderlegbaren Vermutung, dass der Grundbuchinhalt für den rechtsgeschäftlichen Verkehr als richtig und vollständig gilt (sog. materielle Publizität). Tatsächliche Kenntnis vom Inhalt des Grundbuchs ist für den gutgläubigen Erwerb ebenso wenig erforderlich wie ein Vertrauen auf den Buchstand oder gar eine Kausalität zwischen dem Grundbuchstand und dem Erwerb.

7.2.2 Der geschützte Grundbuchinhalt

Was wird geschützt?

Bestandsangaben im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs, die das Eigentum oder das Recht eines dinglich Berechtigten an einer bestimmten Bodenfläche ausweisen, nehmen insoweit am öffentlichen Glauben teil, als durch sie die in der Katasterkarte ausgewiesene Begrenzung einer Katasterparzelle und deren Zugehörigkeit zum Grundstück zum Ausdruck gebracht wird.[1] Auf nur tatsächliche Angaben zur Wirtschaftsart, Lage, Bebauung und Größe darf man jedoch nicht vertrauen. Ein gutgläubiger Erwerber kann sich daher nicht auf das angegebene Flächenmaß oder darauf verlassen, dass die Wirtschaftsart (z. B. Gebäude) richtig ist. Ebenfalls nicht geschützt sind die persönlichen Verhältnisse der Eingetragenen, wie die Geschäftsfähigkeit, Rechtsfähigkeit bei juristischen Personen und Vertretungsbefugnis ihrer Organe oder das Nichtvorliegen von güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen (z. B. § 1365 BGB).

[1] BGH, Urteil v. 2.4.1973, VIII ZR 108/72, NJW 1973 S. 1077; OLG Frankfurt/M., Beschluss v. 28.1.1985, 20 W 113/84, Rpfleger 1985 S. 229.

7.2.3 Geschützte Rechtsvorgänge

Wie weit geht der Schutz?

Geschützt ist nur der rechtsgeschäftliche Erwerb durch Verkehrsgeschäft. Auf den öffentlichen Glauben des Grundbuchs können sich demnach nicht berufen der im Wege der Zwangsvollstreckung vorgehende Gläubiger und der Gesamtrechtsnachfolger (z. B. der Erbe). Letzterem gleichgestellt wird der Erwerber, der im Wege vorweggenommener Erbfolge erwirbt.[1] Ein Verkehrsgeschäft liegt nicht vor, wenn Veräußerer und Erwerber personenidentisch sind (z. B. bei der Bestellung einer Eigentümergrundschuld) oder personengleich (verschiedene, aber personengleiche BGB-Gesellschaften auf jeder Seite), auch nicht bei wirtschaftlicher Identität (Geschäfte des Einmanngesellschafters mit der Einmann-GmbH).

Wer wird geschützt?

Geschützt wird der Erwerber eines Grundstücks, Grundstücksrechts oder eines Rechts an einem solchen (§ 892 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus wird auch der geschützt, für den ein Recht im Grundbuch eingetragen ist, wenn z. B. Leistungen an ihn bewirkt werden oder er mit einem Dritten Verfügungen über das Recht trifft. Hierunter fallen insbesondere Zahlungen des Eigentümers an eingetragene Gläubiger[2], Rangänderungen und Kündigungen.

7.2.4 Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs

Nur der redliche Erwerber wird geschützt

Nur der redliche Erwerber wird geschützt. Redlichkeit setzt mithin voraus, dass der Erwerber die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht kennt und kein Widerspruch im Grundbuch eingetragen ist (§ 892 Abs. 1 Satz 1 BGB). Handelt für den Erwerber ein Vertreter, kommt es auf die Kenntnis des Vertreters (§ 166 Abs. 1 BGB) an. Bekannt ist die Grundbuchunrichtigkeit nur, wenn der Erwerber positive Kenntnis hat. Beweispflichtig ist derjenige, der die Gutgläubigkeit bestreitet. Eine auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis steht der Kenntnis der Unrichtigkeit nicht gleich.

Erhält der Erwerber erst nach Stellung des Eintragungsantrags oder, wenn die Einigung erst später zustande kommt, nach der Einigung Kenntnis von der Unrichtigkeit, schadet ihm dies nicht mehr (§ 892 Abs. 2 BGB).

Der Erwerber eines streitbefangenen Grundstücks muss das Urteil...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge