Leitsatz

  • Ein Eigentümer kann vorsorglich alle Eigentümerbeschlüsse anfechten, wenn ihm das Versammlungsprotokoll kurz vor Ablauf der Anfechtungsfrist noch nicht zugegangen ist !
  • Der Fortgang des Beschlussanfechtungsverfahrens kann nicht von der vorherigen Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses abhängig gemacht werden !
  • Keine Antragsabweisung allein bei fehlender Begründung der Anfechtung (Amtsermittlungspflicht des Gerichts !) !
  • Gemeinschaftliche Beschlussfassung zweier Nachbargemeinschaften selbst bei vereinbarter gemeinsamer Kostentragungspflicht bezüglich bestimmter Abrechnungspositionen entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung !
 

Normenkette

§ 21 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, § 12 FGG, § 8 Abs. 2 KostO

 

Kommentar

1. In zwei benachbart gelegenen Gemeinschaften (unter gleicher Verwaltung stehend und mit übereinstimmender Regelung in den beiden Teilungserklärungen, dass für bestimmte Abrechnungsposten eine gemeinsame Kostentragungspflicht beider Gemeinschaften bestehe) fand eine gemeinsame Versammlung beider Gemeinschaften statt, in der auch gemeinsam abgestimmt und Beschluss gefasst wurde. Die Versammlung fand am 14.07.1998 statt. Am 05.08.1998 focht ein Eigentümer unter Hinweis darauf, dass er noch keine Niederschrift über die Eigentümerversammlung erhalten habe, Beschlüsse an und zwar mit der Formulierung "Vorab-Einspruch gegen die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 14.07.1998".

AG und LG wiesen diesen Antrag bzw. die Erstbeschwerde ab. Die Rechtsbeschwerde führte dagegen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache wieder an das AG.

2. Festzuhalten ist, dass der Antragsteller unter Hinweis darauf, dass er kurz vor Ablauf der einmonatigen Beschlussanfechtungsfrist noch keine Niederschrift erhalten habe, vorsorglich alle Versammlungsbeschlüsse anfechten wollte und auch konnte. Dem steht auch nicht entgegen, dass er einzelnen Beschlüssen in der Versammlung zugestimmt hatte. Denn auch für die Anfechtung von Beschlüssen, denen ein Anfechtender in der Versammlung zugestimmt hat, fehlt nach allgemeiner Meinung nicht das Rechtschutzbedürfnis (h.R.M. vgl. BayObLG, NJW-RR 1998, 1168; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Aufl. § 43 Rn 102). Abgesehen davon ergibt sich vorliegend aus dem Anfechtungsschreiben auch nicht, dass der Antragsteller einzelnen Beschlüssen zugestimmt hatte (dies ergab sich erst im weiteren Verfahren).

Auch gegen eine "vorsorgliche" Anfechtung aller Beschlüsse bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn der Grund darin liegt, dass das Protokoll des Verwalters nicht rechtzeitig vorgelegt wurde (BayObLG, NJW-RR 1995, 1162). Aus dem "Vorab-Einspruch" ergab sich vorliegend, dass zunächst alle Beschlüsse angefochten werden sollten, allerdings mit dem Vorbehalt, dass der Antragsteller nach Eingang des Protokolls seine Anfechtung auf bestimmte Beschlüsse beschränken könnte.

3. Dass der Antragsteller trotz zweimaliger, förmlicher Aufforderung durch das AG weder einen Gerichtskostenvorschuss einbezahlte noch seinen Beschlussanfechtungsantrag begründet habe, rechtfertigt ebenfalls nicht die Antragsabweisung durch die Vorinstanzen.

Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KostO"soll" das Gericht die Vornahme des Geschäfts davon abhängig machen, dass ein Vorschuss gezahlt oder sichergestellt ist; unter anderem gilt dies jedoch nicht, wenn das Verlangen nach vorheriger Zahlung oder Sicherstellung des Vorschusses "nicht angebracht erscheint" (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 KostO). Im Wohnungseigentumsrecht rechtfertigt eine Nichtzahlung des Kostenvorschusses grundsätzlich nicht die Zurückweisung eines Antrags; vielmehr führt dies nur zum "Ruhen des Verfahrens" (h.R.M.). Eine andere Frage ist i.ü., ob bei Nichtzahlung des Vorschusses auch die Zustellung des Antrages an die übrigen Eigentümer und den Verwalter unterbleiben kann (zweifelnd BayObLG Z 1971, 289/292).

Dass hier ein Anfechtender die Bestandskraft eines Eigentümerbeschlusses beliebig lange "in der Schwebe halten könne" und damit schützenswerte Interessen der übrigen Eigentümer verletzt seien, rechtfertigt nach Meinung des Senats kein anderes Entscheidungsergebnis, selbst wenn hier in der Literatur teils abweichende Ergebnisse vertreten werden, z.B. Argumente einer "verfahrensrechtlichen Verwirkung des Anfechtungsrechtes" (vgl. Niedenführ/Schulze; KG Berlin; OLG Düsseldorf); Staudinger/Wenzel kommen demgegenüber zum Ergebnis, dass der Verfahrensfortgang überhaupt nicht von der Einzahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werden könne. Auch das BayObLG (BayObLG Z 1971, 289/293) hat seinerzeit in diesem Fall die Möglichkeit einer Antragsabweisung wegen unterbliebener Zahlung des eingeforderten Kostenvorschusses bereits grundsätzlich verneint, weil dafür eine gesetzliche Grundlage - wie hier nicht - erforderlich wäre; an dieser Meinung wird festgehalten. Von einer Nichtweiterbetreibung des Verfahrens "über viele Jahre hinweg" (KG, OLG Düsseldorf) könne vorliegend i.ü. nicht gesprochen werden.

Die Abweisung war auch nicht deshalb gerechtf...

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