Leitsatz

Der § 439 BGB regelt den Nacherfüllungsanspruch des Käufers bei Kauf einer mangelhaften Sache. § 439 Abs. 3 BGB gibt dem Verkäufer bei unverhältnismäßigen Kosten der Nacherfüllung unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Nacherfüllung zu verweigern. Art. 3 der Europäischen Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf enthält eine ähnliche Bestimmung.

 

Sachverhalt

Unklar war bisher, inwieweit bei einer Ersatzlieferung notwendige Begleitkosten, z.B. für Aus- und Wiedereinbau der Kaufsache, zu ersetzen sind und ob das in § 439 Abs. 3 BGB geregelte Recht zur Verweigerung der Nacherfüllung mit der Europäischen Verbraucherrichtlinie vereinbar ist.

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger Bodenfliesen in einem von der Beklagten geführten Baustoffhandel erworben und diese in seinem Wohnhaus verlegen lassen. Nach der Verlegung zeigten sich kleinere Mängel, deren Beseitigung am verlegten Material technisch nicht möglich war. Der Kläger forderte den Baustoffhandel zur Lieferung neuer Fliesen und Übernahme der Kosten für den Aus- und Einbau i.H.v. 5.830,57 EUR auf. Das LG sah den Mangel als wenig schwerwiegend an und gewährte dem Kläger lediglich eine, von diesem gar nicht geltend gemachte, Minderung von 273,10 EUR. Das OLG verurteilte die Beklagte zur Lieferung neuer Fliesen und zum Ersatz der Ausbaukosten (nicht der Einbaukosten) von 2.122,37 EUR. Die Revision der Beklagten führte zu einer umfassenden Neubewertung des Rechtsstreits.

Der BGH hatte die sich aus den unterschiedlichen Formulierungen in § 439 Abs. 3 BGB und der europäischen Richtlinie für den Verbrauchsgüterkauf entscheidungserheblichen Rechtsfragen dem EuGH zur Vorabklärung vorgelegt. Dieser hatte folgendes entschieden:

  • Auch wenn der Verkäufer sich nicht verpflichtet hat, ein Verkaufsgut beim Käufer einzubauen, ist er bei einem Mangel verpflichtet, die Kaufsache auf auszubauen und das Ersatzgut wieder einzubauen oder hierfür die Kosten zu tragen.
  • Dies gilt grundsätzlich auch bei einem im Hinblick auf Art und Umfang des Mangels unverhältnismäßigen Aufwand. In diesem Fall darf das einzelstaatliche Recht den Anspruch des Käufers auf Ersatz der Aus- und Einbaukosten aber auf ein angemessenes Maß beschränken.

Im Lichte der Entscheidung des EuGH hat der BGH die Auslegung des § 439 BGB in 2 wichtigen Punkten modifiziert Hiernach ist § 439 Abs. 1 2. Alt. BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache einschließt. Das Recht des Verkäufers aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Nacherfüllung zu verweigern, besteht nicht, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere, noch verbleibende Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen bleibt dem Verkäufer lediglich das Recht, den Käufer hinsichtlich der Kostenerstattung für Ein- und Ausbau auf eine angemessene Kostenhöhe zu verweisen.

Dies hat der BGH in seiner Entscheidung klar gestellt. Bei der Berechnung eines angemessenen Anspruchs auf Erstattung der Ein- und Ausbaukosten sind der Wert der mangelfreien Kaufsache, die Bedeutung des Mangels sowie das Ausmaß des Nacherfüllungsaufwands zu berücksichtigen. Eine Reduzierung des Ersatzanspruchs auf einen Betrag nahe Null kommt nicht in Betracht.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 21.12.2011, VIII ZR 70/08.

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