Leitsatz

Das Recht des Verwalters, zum Zweck der Anspruchsverfolgung Einsicht in das Wohnungsgrundbuch eines mit Hausgeldzahlungen rückständigen Miteigentümers zu nehmen, schließt regelmäßig eine Grundbucheinsicht durch einen anderen Wohnungseigentümer aus.

 

Normenkette

§ 12 GBO

 

Das Problem

Wohnungseigentümer B will gestützt auf § 12 GOB in das Wohnungsgrundbuch eines mit Hausgeldzahlungen rückständigen Miteigentümers Einsicht nehmen.

§ 12 GBO.

(1) Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Das Gleiche gilt von Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie von den noch nicht erledigten Eintragungsanträgen.

[…]

Das Grundbuchamt verweigert diese Einsichtnahme. Dagegen beschwert sich B.

 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Das Grundbuchamt habe B die beantragte Grundbucheinsicht zu Recht verweigert. Gemäß § 12 Abs. 1 GBO sei die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlege. Ein berechtigtes Interesse sei gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolge; es müssten sachliche Gründe vorgetragen werden, welche die Verfolgung unberechtigter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen ließen. Dieser allgemeine Grundsatz finde auch auf Wohnungseigentümer Anwendung, soweit diese Einsicht in die Grundbücher anderer Wohnungseigentümer begehren. Zu prüfen sei daher stets, ob ein sachliches Interesse schlüssig dargelegt sei. Hieraus erkläre sich, dass in der älteren Rechtsprechung ein Einsichtsrecht im Hinblick auf die enge wirtschaftliche Verbundenheit der Miteigentümer – jedenfalls teilweise – als Grundsatz angesehen wurde. Von einem solchen Grundsatz könne man heute im Hinblick darauf, dass unmittelbar zwischen den Wohnungseigentümern keine wirtschaftlichen Beziehungen mehr bestünden, nicht mehr ausgehen (Hinweis auf KG v. 3.4.2014, 1 W 83/14 und Wilsch in Hügel, GBO, Stand 2015, § 12 Rn. 75). Allein die Stellung als Miteigentümer könne daher – bei entsprechendem Informationsbedarf – allenfalls einen Anspruch auf die Einsicht in das Bestandsverzeichnis und Abteilung I des Grundbuchs begründen.
  2. Die Auffassung, ein Einsichtsrecht ergebe sich bereits aus der Stellung als Miteigentümer, da sie insoweit ihr Eigentumsrecht wahrnähmen, teile der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Zunächst besage die Stellung als Miteigentümer nichts über ein konkretes Informationsbedürfnis. Soweit ein solches hinsichtlich des sachenrechtlichen Grundverhältnisses im Einzelfall bestehe, könne dem durch eine beschränkte Einsicht in das Bestandsverzeichnis und Abteilung I regelmäßig Rechnung getragen werden. Die Einsicht in die Abteilungen II und III des Grundbuchs offenbare hingegen die Nutzungs- und Haftungsverhältnisse des fremden Sondereigentums und in Grenzen die wirtschaftlichen Verhältnisse des entsprechenden Eigentümers. Dabei sei zuzugeben, dass die Kenntnis der Eintragungen in Abteilung II und III bei Hausgeldrückständen, auch wenn deren Verfolgung bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer liege, für den einzelnen Eigentümer als Grundlage seines Verhaltens in der Versammlung von Interesse sein könne. Im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen diesem Informationsbedürfnis und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Schuldners sei jedoch auch zu fragen, ob der einzelne Miteigentümer zur Erlangung der relevanten Informationen auf die Grundbucheinsicht angewiesen sei. Dies sei aus Sicht des Senats im Regelfall zu verneinen.
  3. Bei Hausgeldrückständen zähle es zu den Aufgaben des Verwalters, für eine "effektive Durchsetzung der Ansprüche" Sorge zu tragen (Hinweis auf BGH v. 28.1.2011, V ZR 145/10, BGHZ 188 S. 157). Der Verwalter müsse daher, wenn Rückstände auflaufen und er durch die Gemeinschaftsordnung nicht allgemein ermächtigt sei, derartige Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, auf eine Entscheidung der Eigentümer über die gerichtliche Geltendmachung dringen. In beiden Alternativen stelle sich unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Anspruchsverfolgung auch die Frage nach den (Vor-)Belastungen der Sondereigentumseinheit(en) des Schuldners. Dementsprechend sei dem Verwalter in einer solchen Situation ein Einsichtsrecht nach § 12 Abs. 1 GBO zuzubilligen.
  4. Auf Grundlage der Auffassung des Senats könnten die einzelnen Wohnungseigentümer, wenn sie vor einer gerichtlichen Geltendmachung zu einer Beschlussfassung aufgerufen seien, über den Verwalter die notwendigen Informationen betreffend den Grundbuchinhalt erhalten. Ein individuelles Einsichtsrecht des einzelnen Miteigentümers würde, soweit es um die Verfolgung von Hausgeldansprüchen gehe, dementsprechend die Darlegung eines besonderen Sachverhalts erfordern. Nach diesem müsse feststellbar sein, dass der beschriebene mittelbare Informationsfluss nicht umsetzbar oder unzumutbar sei, z.B. weil sich der Verwalter hartnäckig weigere, hieran mitzuwirken. Die gerichtliche Erzwingung seiner Mitwirkung wäre hier, schon ...

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