Rz. 125

Aus deutscher Sicht wird man angesichts der inhaltlich ungewohnten Voraussetzungen, deren nähere Ausgestaltung zum Teil im Ermessen des Gerichts liegt, und vor allem wegen der Verknüpfung des nachlassgerichtlichen Verfahrens mit dem Erbschaftsteuerverfahren regelmäßig eine mit dem englischen Recht vertraute Person, insbesondere einen in England tätigen Praktiker beauftragen, die Verfahren durchzuführen. Der entsprechenden Vollmacht können dabei unterschiedliche Wirkungen beigemessen werden:

Zum einen kann sie sich darauf beschränken, dass der Bevollmächtigte im Namen des Vollmachtgebers das Verfahren zur Erteilung des grant betreibt (wobei aber der Oath immer persönlich zu leisten ist), und danach ggf. einzelne Abwicklungsaufgaben erledigt.[141]
Zum anderen kann die Vollmacht aber auch das Recht beinhalten, dass der Bevollmächtigte selbst – mit dem gleichen Rang, auf den der Vollmachtgeber Anspruch hätte – zum administrator bestellt wird, und das Amt dann im eigenen Namen und auf eigene Verantwortung führt.[142] Insbesondere der deutsche Erbe kann damit zwar sein Recht auf Bestellung zum administrator wahren, muss jedoch nicht selbst die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Abwicklung z.B. gegenüber den Steuerbehörden übernehmen.
 

Rz. 126

Die Erteilung einer postmortalen Vollmacht durch den Erblasser an einen Begünstigten oder den potentiellen personal representative ist dagegen nicht geeignet, das Nachlassverfahren zu umgehen. Zwar bestehen im englischen Internationalen Privatrecht Unsicherheiten darüber, nach welchem Recht eine solche Vollmacht zu behandeln ist, doch meist wird das Recht für anwendbar gehalten, das den mit der Vollmacht geschlossenen "Hauptvertrag" beherrscht; bei der Abwicklung eines englischen Nachlasses wird dies englisches Recht sein. Danach erlischt die Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers, da zu dessen Lebzeiten weder einem Begünstigten noch einem personal representative unentziehbare Rechte zustehen können, zu deren Vollzug die Vollmacht erforderlich wäre.[143] Testamentarische Auflagen an die Erben bzw. Begünstigten, neue Vollmachten zugunsten der Nachlassabwickler zu erteilen, sind ebenfalls nicht möglich, da den Begünstigten die Verfügungsbefugnis über den Nachlass in England fehlt.

[141] Alle Handlungen, die der Bevollmächtigte im Rahmen der Abwicklung für den personal representative vornimmt, hat der Vollmachtgeber selbst zu verantworten; vgl. s. 23 (1) Trustee Act 1925.
[142] Vgl. r. 31 N.C.P.R. 1987; der grant wird in diesem Fall for the use and benefit of the donor of the power erteilt und ist damit in der Weise beschränkt, dass er endet, sobald der Vollmachtgeber für sich selbst den grant beantragt oder stirbt.
[143] Vgl. Halsbury’s, Laws of England, Agency, Nr. 182, 187 und 197; v. Oertzen, ZEV 1995, 170, empfiehlt daher allenfalls transmortale Vollmachten, mit denen der Berechtigte den Nachlass im Ausland auflösen kann, bevor dort der Tod des Erblassers bekannt wird. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Handelnde dabei als executor de son tort schadensersatzpflichtig machen kann.

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