Rz. 11

Entscheidende Bedeutung im Kollisionsrecht Großbritanniens hat der Begriff des Domizils (domicile), der im Common Law in der Regel an Stelle der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit verwendet wird. Mit diesem Begriff soll die Zugehörigkeit einer Person zu einer einzigen Rechtsordnung – also nicht zu einem bestimmten Ort – festgelegt werden. Das Domizil unterscheidet sich damit insbesondere von dem Begriff der (ordinary oder habitual) residence und darf keinesfalls mit den deutschen kollisionsrechtlichen Anknüpfungsmerkmalen des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts gleichgesetzt werden.[14]

 

Rz. 12

Das englische Recht unterscheidet drei Domizilarten:

 

Rz. 13

Das Geburtsdomizil (domicile of origin) erwirbt jeder Mensch unabänderlich mit seiner Geburt. Beim ehelich geborenen Kind ist dies das Domizil des Vaters zum Zeitpunkt der Geburt. Ist der Vater verstorben, sind die Eltern geschieden oder ist das Kind nichtehelich geboren, ist das Domizil der Mutter maßgebend, wenn es bei der Mutter lebt. Bedeutung hat das domicile of origin auch in den Fällen, in denen ein späteres Wahldomizil wieder aufgegeben wird. Wenn dabei nicht sogleich ein neues Wahldomizil begründet wird, folgt aus der Aufgabe das Wiederaufleben des domicile of origin. Kehrt beispielsweise ein Ehegatte, der lange im Ausland lebte, dessen Geburtsdomizil aber England war, im Trennungsfall nach England zurück, kann das englische Geburtsdomizil sofort wiederaufleben, und zwar ohne dass der Ehegatte die Absicht haben muss, dauerhaft in England wohnen zu bleiben. Dies würde sogar dann gelten, wenn der Ehegatte im Ausland die dortige Staatsangehörigkeit angenommen hat.

 

Rz. 14

Ein Wahldomizil (domicile of choice) kann jede mündige Person ab 16 Jahren selbst erwerben. Für die Begründung eines solchen Wahldomizils müssen zwei Merkmale zusammentreffen: Objektiv muss in einem Land der tatsächliche Aufenthalt (residence) begründet werden. Subjektiv muss dies in der Absicht erfolgen, in diesem Land (aber nicht zwingend immer am gleichen Ort) für immer oder zumindest für unbestimmte Zeit zu bleiben und nicht in das ursprüngliche Domizilland zurückzukehren (sog. animus manendi et non revertendi). Diese Absicht ist dann zu verneinen, wenn man nur für eine bestimmte Zeit oder bis zu einem bestimmten Ereignis, z.B. bis zum Eintritt des Rentenalters, in dem Land wohnen will, oder zwar nicht weiß, wie lange man bleiben will, aber den ernsthaften Willen hat, irgendwann zurückzukehren oder in ein anderes Land weiterzuziehen. Für den Nachweis dieser subjektiven Merkmale sind – neben der Aussage des Betroffenen – grundsätzlich alle objektiven Umstände heranzuziehen, da kein Merkmal allein (z.B. auch nicht eine Heirat oder die Annahme der jeweiligen Staatsangehörigkeit) eine bestimmte Absicht belegt. Für den Verlust eines domicile of choice muss die tatsächliche Aufgabe der residence mit der Aufgabe des Willens, in dem Land auf unbestimmte Zeit zu wohnen, zusammentreffen.

 

Rz. 15

Das domicile of dependency regelt schließlich den Domizilwechsel von unmündigen Personen, die nicht selbst ein domicile of choice erwerben können. Bei Minderjährigen unter 16 Jahren richtet sich der Wechsel immer nach dem aktuellen domicile des Vaters bzw. der Mutter, je nachdem, bei wem das Kind lebt.[15]

[14] Vgl. eingehend zum Domizilbegriff: Henrich, RabelsZ 25 (1960), 458 ff.; Bergmann/Ferid/Henrich, Länderbericht England, III. A. 3., S. 28; Staudinger/Dörner, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn 282; Cheshire, North & Fawcett, S. 145 ff.; Morris, Rn 3–009 ff.
[15] Vgl. dazu näher s. 3, 4 DMPA 1973.

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