Rz. 28

Die Vorfragen sind auch auf dem Gebiet des Internationalen Erbrechts gesondert anzuknüpfen. Die Vorschriften des Erbrechts bestimmen nur, ob und in welcher Weise Ehegatten und Verwandte erbberechtigt sind und nicht, ob zwischen diesen Personen und dem Erblasser eine familienrechtliche Beziehung besteht. Zur Anknüpfung der Vorfrage werden im griechischen Recht im Wesentlichen folgende Theorien vertreten:

 

Rz. 29

a) Wenn die Vorfrage vom Sachrecht des Forums aufgeworfen wird, ist immer selbstständig anzuknüpfen.
b) Wenn das präjudizielle Rechtsverhältnis vom ausländischen materiellen Recht aufgeworfen wird, das vom griechischen Kollisionsrecht zur Anwendung berufen wird, ist im Wege einer Interessenabwägung zwischen selbstständiger (nach der lex fori) und unselbstständiger Anknüpfung (nach der lex causae bzw. nach den Kollisionsregeln der lex causae) zu entscheiden.[29] Die Rechtsprechung hat noch keine bestimmte Orientierung gestaltet. Der Richter kann, nachdem er alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat, zwischen den beiden Anknüpfungen auswählen, um eine flexible und gerechte Entscheidung zu treffen.
 

Beispiel:

Ein Norweger (N) hat einen nichtehelichen Sohn (S) mit einer Griechin (G). N verstirbt. Für das Bestehen eines Erbrechts des Sohnes (S) auf das Nachlassvermögen muss vorher die Vaterschaft festgestellt werden. Nach der lex fori-Theorie wendet der griechische Richter gem. Art. 20 grZGB[30] das norwegische Heimatrecht des Erblassers an (sofern N und S keine gemeinsame Staatsangehörigkeit oder keinen gemeinsamen Aufenthaltsort hatten).

 

Rz. 30

Nach der lex causae-Theorie hingegen ist Art. 28 grZGB (Regelung der Hauptfrage nach der lex patriae des Erblassers) auch für die obige Vorfrage maßgebend. Folglich ist deutsches Kollisionsrecht anzuwenden, also Art. 19 EGBGB, der auf das Recht des Staates verweist, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In diesem Fall käme also griechisches Recht in Betracht.

[29] Krispis, IPR – Allgemeiner Teil, Athen 1979, S. 183 ff. (in griechischer Sprache); Grammatikaki-Alexiou/Papasiopi-Pasia/Vasilakakis, a.a.O., S. 96.
[30] Art. 20 grZGB lautet: "Das Rechtsverhältnis zwischen dem Vater und dem nichtehelichen Kind unterliegt: 1) dem Recht des Staates, dem beide zuletzt angehörten, 2) dem Recht des Staates, in dem beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt hatten, 3) dem Recht des Staates, dem der Vater angehört."

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge