Rz. 82

Außer der allgemeinen Voraussetzung der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten sieht das Gesetz einige spezielle Unterhaltsvoraussetzungen vor:

 

Rz. 83

Alters- und Krankheitsunterhalt (Art. 1442 Nr. 1–4 ZGB). Unterhaltsberechtigt ist der geschiedene Ehegatte, der

ein minderjähriges Kind betreut und deshalb unfähig ist zu arbeiten;
keine regelmäßige für ihn geeignete Arbeit findet oder eine berufliche Ausbildung benötigt, bis höchstens drei Jahre nach Erlass des Scheidungsurteils;
sich gegen Ende der Kinderbetreuung oder drei Jahre nach Erlass des Scheidungsurteils in einem Alter oder einem Gesundheitszustand befindet, das/der ihm nicht erlaubt, einen geeigneten Beruf auszuüben oder fortzusetzen, um dadurch seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.[136]
In allen anderen Fällen kann der geschiedene Ehegatte auch aus Billigkeitsgründen unterhaltsberechtigt sein.
 

Rz. 84

Kindesbetreuungsunterhalt (Art. 1442 Nr. 2 ZGB). In diesem Fall braucht die Voraussetzung der Kinderbetreuung nicht bereits zum Zeitpunkt der Scheidung vorzuliegen. Sie kann vielmehr auch nach der Scheidung mit der Geburt eines Kindes eintreten. Die Kinderbetreuung setzt gemeinschaftliche Kinder voraus. Unter den Begriff "gemeinschaftlich" sind auch adoptierte oder durch eine spätere Ehe legitimierte Kinder zu verstehen. Der Unterhaltsanspruch besteht, solange der Berechtigte wegen der Kinderbetreuung keine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben kann. Der Berechtigte verliert seinen Anspruch mit Volljährigkeit des Kindes oder wenn die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zugesprochen wurde. Der geschiedene Ehegatte bleibt allerdings unterhaltsberechtigt, wenn er bei Beendigung der elterlichen Sorge wegen seines Alters oder Gesundheitszustandes nicht einen geeigneten Beruf aufnehmen oder fortsetzen kann (Art. 1442 Nr. 1 ZGB) oder wenn er in einem Zeitraum von höchstens drei Jahren nach der Scheidung keine regelmäßige Arbeit findet (Art. 1442 Nr. 3 ZGB).

 

Rz. 85

Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit und Berufsausbildung (Art. 1442 Nr. 3 ZGB). Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, wenn er keine regelmäßige geeignete Arbeit findet oder eine Berufsausbildung benötigt. In beiden Fällen wird allerdings der Unterhalt nur für einen Zeitraum gewährt, der nicht länger als drei Jahre seit der Verkündung des Scheidungsurteils andauert. Die Arbeit muss regelmäßig und geeignet sein. Entsprechend soll die Berufsausbildung für die Aufnahme einer Arbeit notwendig sein. Die Unterhaltsgewährung kann jedoch in diesem Fall nicht über drei Jahre nach Auflösung der Ehe hinausgehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendung der Vorschrift ist nicht der Zeitpunkt der Scheidung, sondern ein der Scheidung nachfolgender Zeitpunkt, an dem die Arbeitslosigkeit des Berechtigten oder die Notwendigkeit seiner Ausbildung eingetreten ist. Allerdings müssen sie spätestens innerhalb von drei Jahren nach der Scheidung eintreten.[137] Der geschiedene Ehegatte kann ohne zeitliche Grenze Unterhalt verlangen, wenn nach Ablauf der dreijährigen Frist eine der Voraussetzungen des Art. 1442 Nr. 1 ZGB vorliegt oder wenn er nach der Ausbildung arbeitslos bleibt.

 

Rz. 86

Unterhalt aus Billigkeitsgründen (Art. 1442 Nr. 4 ZGB). Wenn der geschiedene Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch auf die in Art. 1442 Nr. 1–3 ZGB vorgesehenen Voraussetzungen nicht stützen kann, könnte trotzdem Art. 1442 Nr. 4 ZGB in Betracht kommen. Dabei werden die Belange und die Bedürfnisse beider Ehegatten und nicht allein des Berechtigten berücksichtigt. Die Billigkeitsgründe müssen bereits zum Zeitpunkt der Scheidung vorliegen.[138] Die Auslegung der unbestimmten Begriffe in den oben erwähnten Vorschriften wie "geeigneter Beruf", "regelmäßige Arbeit", "Gesundheitszustand" oder "Billigkeitsgründe" erfolgt im konkreten Fall durch das Gericht unter Kontrolle des Areopags, der die Einheit der Rechtsprechung sichert.[139]

[136] OLG Thessaloniki 1261/2003, Arm (2004) S. 874.
[137] OLG Athen 3293/1990, EllDik 32 (1991) S. 1640.
[138] OLG Larissa 897/1991, Arm 46 (1992) S. 126.
[139] Deligiannis/Koutsouradis, Familienrecht II, S. 322.

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