Leitsatz

Sondereigentum kann nur in den Grenzen entstehen, die sich aus dem zur Eintragung in das Grundbuch gelangten Aufteilungsplan ergeben.

Die erstmalige plangerechte Herstellung einer Wand, die 2 Sondereigentumseinheiten voneinander abgrenzt, ist unabhängig von der dinglichen Zuordnung der herzustellenden Wand Aufgabe aller Wohnungseigentümer und nicht nur der benachbarten Sondereigentümer.

Der Anspruch eines Wohnungseigentümers auf erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums kann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht.

Ist den Vertragsparteien bei der Veräußerung von Wohnungseigentum nicht bekannt, dass das Sondereigentum in größerem Umfang entstanden ist, als es die tatsächliche Bauausführung erkennen lässt, erlaubt eine vor Vertragsschluss erfolgte Besichtigung des Kaufobjekts nicht den Schluss, dass die Auflassung auf das Sondereigentum in den von der Bauausführung vorgegebenen Grenzen beschränkt worden ist.

 

Normenkette

§§ 1, 3, 5, 7, 21 Abs. 4, 5 und Abs. 8 WEG

 

Das Problem

  1. Beim Bau eines Mietshauses im Jahr 1972 wird von den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauplänen abgewichen, um einen Fensterzugang für den innenliegenden Kellerraum Nr. 7 zu schaffen. Durch die hierfür erforderliche Verlegung einer Innenwand verkleinert sich der nach den Plänen 8,43 m2 große Kellerraum Nr. 3 um eine Fläche von 3,94 m2.
  2. Im Jahr 1984 wird das Mietshaus in Wohnungseigentum umgewandelt. Für die Erstellung des Aufteilungsplans werden die ursprünglichen, der Baugenehmigung zugrunde liegenden Baupläne verwendet. Infolgedessen zeigt der im Grundbuch in Bezug genommene Aufteilungsplan nicht die tatsächliche Bauausführung der Kellerräume Nr. 3 und Nr. 7, sondern die ursprüngliche Planung.
  3. Im Jahr 2011 erwirbt K nach vorheriger Besichtigung das Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3 sowie am Kellerraum Nr. 3. Vom Aufteilungsplan nimmt er erst nach dem Erwerb Kenntnis. In einer Versammlung im Jahr 2013 beantragt K, den Kellerraum Nr. 3 in den aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen Grenzen herzustellen. Dieser Antrag findet keine Mehrheit. Hiergegen wendet sich K im Wege der Anfechtungsklage. Zugleich verlangt er festzustellen, dass die dem Aufteilungsplan entsprechende Herstellung des Kellerraums Nr. 3 "auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft" und die Erteilung des Auftrags an den günstigsten Anbieter beschlossen sind.
  4. Das Amtsgericht gibt der Klage statt. Auf die Berufung der beklagten Wohnungseigentümer ändert das Landgericht dieses Urteil ab und weist die Klage ab. Das Landgericht meint, die Abgrenzung des Sondereigentums richte sich nach der tatsächlichen Bauausführung. Der teilende Eigentümer habe die Aufteilung offenkundig an den seit 12 Jahren bestehenden baulichen Gegebenheiten ausrichten wollen und die veralteten Bauunterlagen aufgrund eines "schlichten Versehens" verwendet. Solche Fehler wirkten sich auf die Zuweisung des Sondereigentums nicht aus und dürften keine Umbaupflichten nach sich ziehen. Zudem sei auch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass bei unwesentlichen Abweichungen auf die tatsächliche Bauausführung abzustellen und der Aufteilungsplan entsprechend zu berichtigen sei. Um eine solche unwesentliche Abweichung gehe es hier, da nur ein Kellerraum betroffen sei und die Fläche des gesamten Sondereigentums lediglich um 6 % gemindert werde.
  5. Mit der Revision will K die Zurückweisung der Berufung erreichen.
 

Die Entscheidung

  1. Die Anfechtungsklage ist begründet. Der Beschluss, den Kellerraum Nr. 3 nicht in den aus dem Aufteilungsplan ersichtlichen Grenzen herzustellen, entspreche keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. K könne nach § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG die plangerechte Herstellung des Kellerraums verlangen (Hinweis auf BGH v. 14.11.2014, V ZR 118/13, NJW 2015 S. 2027 Rn. 20). Die derzeit vorhandene (Trenn-)Wand sei planwidrig. Die insoweit notwendige Beurteilung richte sich nicht nach der tatsächlichen Bauausführung, sondern nach der Grundbucheintragung, und zwar nach der Teilungserklärung und dem dort in Bezug genommenen Aufteilungsplan. Der Aufteilungsplan solle sicherstellen, dass dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchrechts Rechnung getragen werde, indem er die Aufteilung des Gebäudes sowie die Lage und Größe des Sondereigentums und der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile ersichtlich mache (Hinweis unter anderem auf BGH v. 15.1.2010, V ZR 40/09, NZM 2010 S. 407 Rn. 7 und BGH v. 16.11.2012, V ZR 246/11, NZM 2013 S. 153 Rn. 5). Bei Grundstücken ergebe sich der Grenzverlauf aus der dem Liegenschaftskataster zugrunde liegenden Liegenschaftskarte (Hinweis auf § 2 Abs. 2 GBO); hierauf erstrecke sich die Vermutung der Richtigkeit des Grundbuchs gemäß § 891 Abs. 1 BGB (Hinweis auf BGH v. 2.12.2005, V ZR 11/05, Rpfleger 2006 S. 181 und BGH v. 8.11.2013, V ZR 155/12, BGHZ 199 S. 31 Rn. 11). Dieselbe sachenrechtliche Abgrenzungsfunktion erfülle...

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