Rz. 16

In den Pfändungsfreibeträgen sind bereits Mietanteile i. H. v. ca. 32,62 % (AG Wuppertal, JurBüro 2020, 269) der tatsächlichen Miete enthalten (Remmert, NZI 2008, 70; AG Frankfurt, JurBüro 1997, 438; AG Heidelberg, JurBüro 1997, 439; LG Detmold, Rpfleger 1992, 74; AG Dortmund, Rpfleger 1995, 222; Mock, Vollstreckung effektiv 2001, 60; Behr, JurBüro 1997, 291). Bedeutsam ist dies für einen nachrangig pfändenden Gläubiger gegenüber einem vorrangigen Abtretungsgläubiger, der sich wg. seiner Mietzinsansprüche das pfändbare Einkommen hat abtreten lassen, insofern, als sich der pfändungsfreie Betrag um diesen Prozentsatz reduzieren kann und damit die nachrangige Pfändung greift. Zuständig für eine Entscheidung ist das Vollstreckungsgericht, welches auf Antrag einen klarstellenden Beschluss erlässt.

 

Rz. 16a

Anders zu beurteilen ist die Situation, wenn der Schuldner tatsächlich keine Miete zahlt. Dann ist dem monatlichen Nettoeinkommen bei der Ermittlung des unpfändbaren Betrags nach § 850c ZPO die Mietkostenersparnis fiktiv hinzuzurechnen (AG Wuppertal, JurBüro 2020, 269: 20 %; AG Tostedt, JurBüro 2021, 106: monatlich 296,55 EUR mehr). Im Rahmen des Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Ännderung der Pfändungsfreigrenzen beabsichtigte der Gesetzgeber, den arbeitenden Schuldner im Regelfall besser zu stellen als den Empfänger von Sozialhilfe. Insofern wurde als Kalkulation der Sozialhilfebedarf als unterer Maßstab genommen. Hierbei berücksichtigte man eine Kaltmiete von 580 DM, umgerechnet somit 296,55 EUR (BT-Drucksache 14/6812, 9 re. Sp.). Gibt der Schuldner daher selbst an, bzw. gelingt es dem Gläubiger darzulegen, dass der Schuldner mietfrei wohnt, ist der Schuldner so zu behandeln, als stünde ihm dieser Betrag zusätzlich zu seinem tatsächlichen Nettoeinkommen zur Verfügung. Der Betrag von 296,55 EUR ist daher vom Drittschuldner auf Antrag und Anordnung des Vollstreckungsgerichts dem ermittelten Nettoeinkommen des Schuldners wie fiktives Einkommen hinzuzurechnen (AG Tostedt, JurBüro 2021, 106).

 

Rz. 16b

Die Auswirkungen lassen sich anhand des folgenden Beispiels nachvollziehen:

 
Praxis-Beispiel

Pfändung von Lohnansprüchen

Fall: Gläubiger G pfändet die Lohnansprüche (Anspruch A) des Schuldners S; dieser ist ledig und verdient monatlich 2.000 EUR netto.

Lösung: Nach derzeitiger Pfändungstabelle gemäß § 850c Abs. 4 ZPO Spalte 0 muss der Drittschuldner monatlich 523,15 EUR an den Gläubiger abführen. Rechnet man den Mietanteil von 296,55 EUR monatlich als fiktives Einkommen dem tatsächlichen Einkommen von 2.000 EUR netto hinzu, ergibt sich aus dem Gesamtnettoeinkommen in Höhe von 2.296,55 EUR ein monatlich pfändbarer Betrag von 726,15 EUR, somit 203 EUR monatlich mehr.

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