Rz. 35

Es werden Sachen geschützt, die für die Aus- oder Fortbildung benötigt werden. Der Begriff "„Aus- oder Fortbildung"“ ist dabei in einem weiten Sinn zu verstehen und umfasst auch die schulische Bildung (BR-Drucks. 62/21 S. 28). Dieser Wille kommt allerdings im Gesetzestext nicht deutlich zum Ausdruck. Da der Wortlaut einer Norm die Grenze der Auslegung bildet (BVerfG, NZV 2007, 368; BVerfGE 92, 1,12) hat hierbei eine Rechtsfortbildung, Analogie bzw. teleologischer Reduktion zu erfolgen (vgl. auch Herberger (DGVZ 2021, 253 (255)).

Die Aus- oder Fortbildung muss mit einer Erwerbstätigkeit im Zusammenhang stehen, d. h. entweder auf die Erlangung einer (anderen) Erwerbstätigkeit gerichtet, dem Erhalt einer Erwerbstätigkeit oder dem Fortkommen im Rahmen einer Erwerbstätigkeit dienen. Sachen, die lediglich für die Teilnahme beispielsweise an einem Volkshochschulkurs oder einem Workshop ohne erkennbaren Bezug zum Erwerbsleben erforderlich sind, fallen nicht unter den Schutz der Vorschrift, selbst wenn die Kurse oder Workshops einen weiterbildenden Charakter haben. Auch im Fall besonders wertvoller Sachen besteht grundsätzlich Pfändungsschutz, es kommt aber auch hier eine Austauschpfändung gemäß § 811a Abs. 1 ZPO in Betracht (BR-Drucks. 62/21 S. 28).

Ursprünglich ergab sich der Pfändungsschutz von Sachen, die der Berufsausbildung dienen, aus § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO a. F. (BR-Drucks. 62/21 S. 28). Insoweit ist die Regelung klarstellend neu gefasst worden in § 811 Abs. 1 Nr. 10 ZPO a. F. in der Fassung bis zum 31.12.2021. Hiernach waren allerdings ausschließlich Bücher geschützt, die zum Gebrauch des Schuldners und seiner Familie in der Schule oder einer sonstigen Unterrichtsanstalt bestimmt waren. Die jetzige Regelung ändert in zweierlei Hinsicht den sachlichen Anwendungsbereich:

  • Zum einen stellt sie nicht auf den Gebrauch in der Schule oder einer sonstigen Unterrichtsanstalt ab, sondern auf sämtliche Maßnahmen der Aus- und Fortbildung, sofern sie mit einer Erwerbstätigkeit im Zusammenhang stehen. Hierunter können beispielsweise auch digitale Lernmittel fallen, mithilfe derer sich der Schuldner im Selbststudium fortbildet.
  • Zum anderen werden nicht nur Bücher geschützt, sondern jedwede Sachen, die für die Aus- und Fortbildung erforderlich sind. Diese Erweiterung berücksichtigt, dass Aus- und Fortbildungen immer stärker unter Einbeziehung digitaler Medien erfolgen. Durch die Regelung in lit. b soll der großen Bedeutung, die Qualifizierungen im heutigen Erwerbsleben haben, Rechnung getragen werden. Die Vorschrift dient damit letztendlich auch Gläubigerinteressen.

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