Rz. 4

Die Norm setzt den Gewahrsam des Gläubigers oder eines Dritten im Zeitpunkt der Pfändung voraus. Nur dieser entscheidet über die Wirksamkeit eines Pfandrechts (AG Balingen, DGVZ 1995, 27). Dritter ist, wer nach dem Titel bzw. Vollstreckungsklausel weder Schuldner noch Gläubiger ist. Dritter kann auch der Gerichtsvollzieher sein (AG Rheine, JurBüro 1983, 1416; LG Kleve, DGVZ 1977, 173; a. A. OLG Düsseldorf, OLGZ 1973, 50). Wer als gesetzlicher Vertreter oder Vertreter persönlichen Gewahrsam hat, ist nicht Dritter (LG Berlin, DGVZ 1972, 113). Hinsichtlich der verschieden Gewahrsamsarten ist zu unterscheiden:

 

Rz. 5

Grundsätzlich ist Alleingewahrsam maßgeblich. Insofern ist entscheidend, ob der Schuldner die tatsächliche alleinige Sachherrschaft besitzt. Maßgeblich ist hierbei der äußere Anschein, der für die Bewertung der Gewahrsamsverhältnisse durch den Gerichtsvollzieher ausschlaggebend ist. Von daher verbietet sich die Pfändung des PKW des sich in Haft befindlichen Schuldners, wenn dieser von dessen Lebensgefährtin genutzt wird, da nichts für die Zugehörigkeit des PKW zum alleinigen Herrschaftsbereich des Schuldners spricht. In diesem Fall ist vielmehr von einem Gewahrsam der Lebensgefährtin auszugehen (AG Weilburg, DGVZ 2004, 30). Dies gilt umso mehr, wenn der Dritte auch noch im Besitz der Fahrzeugpapiere ist OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 998).

 

Rz. 6

Die Gewahrsamsvermutung gem. §§ 739 ZPO, 1362 BGB, wonach der Schuldner auch dann als Gewahrsamsinhaber gilt, wenn sich die zu pfändenden Gegenstände im Alleinbesitz oder –gewahrsam des Ehe- oder Lebenspartners befinden, findet bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften keine Anwendung, so dass die Pfändung von Gegenständen, die im Mitgewahrsam eines Mitbewohners stehen, ohne dessen Zustimmung nicht zulässig ist (LG Frankfurt/Main, NJW 1986, 729; AG Gütersloh, DGVZ 1979, 94). Auch wenn die Interessenlage für einen Gläubiger gleich ist, würde eine entsprechende Anwendung der Vorschriften auf die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dazu führen, dass diese einen vom Gesetz nur Ehe- und Lebenspartnern auferlegten Nachteil hinnehmen müssen, ohne aber gleichzeitig in den Genuss der mit einer Ehe bzw. Lebenspartnerschaft verbundenen Vorteile zu kommen. Die eigenverantwortliche Entscheidung der Partner, keine Ehe bzw. Lebenspartnerschaft miteinander eingehen zu wollen, würde dadurch untergraben und der Gläubigerschutz über das gesetzlich vorgesehene Maß ausgeweitet.

 

Rz. 7

Hat ein GmbH-Geschäftsführer, gegen den persönlich die Zwangsvollstreckung betrieben wird, in dem von ihm gemieteten Haus (angeblich) keine Privaträume, weil er das Haus an die von ihm geführte GmbH untervermietet hat, ist davon auszugehen, dass der GmbH-Geschäftsführer in den Geschäftsräumen Alleingewahrsam für sich selbst ausübt, so dass die dort befindlichen pfändbaren Gegenstände der Pfändung unterliegen (LG Berlin, DGVZ 1998, 27). In diesem Fall ist von einem juristischen Konstrukt wegen wirtschaftlicher bzw. steuerrechtlicher Gründe auszugehen. Ebenso kann gegen eine GmbH nicht nur in ihren Geschäftsräumen (oder gar nur an ihrem Sitz im Sinne des GmbHG), sondern überall dort durch Sachpfändung vollstreckt werden, wo sie Alleingewahrsam über Gesellschaftsvermögen ausübt. So kann eine GmbH auch in den Privaträumen (Wohnung) ihres Geschäftsführers Gewahrsam über dort befindliches Gesellschaftsvermögen ausüben. Der vom Gläubiger mit der Sachpfändung an der Privatanschrift des Geschäftsführers beauftragte Gerichtsvollzieher ist verpflichtet, sich dort nach dem Vorhandensein von Gesellschaftsvermögen zu erkundigen und neben dem Gewahrsam der GmbH gegebenenfalls die Zugehörigkeit vorhandener Sachen zu ihrem Vermögen zu prüfen (LG Mannheim, DGVZ 1983, 118). Ist die Geschäftsführerin einer GmbH zugleich Geschäftsführerin einer OHG und hat sie Vermögensgegenstände der GmbH in den Gewahrsam der OHG verbracht, um bei der Zwangsvollstreckung gegen die GmbH Drittgewahrsam geltend zu machen, so bedarf es bei der Vollstreckung gegen die GmbH in diese Vermögensgegenstände nicht der Zustimmung der Geschäftsführerin, weil deren Herausgabeverweigerung unbeachtlich ist (AG Dortmund, DGVZ 1994, 12).

 

Rz. 8

Haben ein Dritter und der Schuldner Mitgewahrsam und ist dies äußerlich erkennbar (LG Berlin, MDR 1975, 939), ist die Pfändung nach § 809 ZPO bzw. eine Durchsuchung nur zulässig, wenn der Dritte einwilligt. Eine Durchsuchung darf daher nur mit Zustimmung aller erfolgen (AG Essen, DGVZ 1981, 158; Stein/Jonas/Münzberg, § 808 Rn. 28; Zöller/Stöber, § 809 Rn. 4). Nach anderer Auffassung (LG Hamburg, DGVZ 1984, 111; LG Wiesbaden, DGVZ 1981, 60) verbietet Mitgewahrsam eines Dritten lediglich die Pfändung und Wegnahme gegen den Willen des Dritten, nicht aber die Durchsuchung der von dem Schuldner mitbenutzten Räume und die Feststellung pfändbarer Gegenstände des Schuldners. Die Mitbenutzung von Sachen lässt allerdings nicht ohne weiteres Mitgewahrsam hieran entstehen; der Mitbenutzer kann ...

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