Rz. 4

Ist bei der Vollstreckungshandlung die Zuziehung des Schuldners nötig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbekannt oder es ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen (LG Meiningen, Rpfleger 2007, 717). Nach § 52 Nr. 1 GVGA darf die Vollstreckung erst fortgesetzt werden, wenn ein für die Mitwirkungshandlung erforderlicher Vertreter bestellt ist. Nötig ist die Zuziehung des Schuldners bei der Zwangsvollstreckung, wenn er mitwirken muss; das gilt auch für die Fälle, in denen nur eine Zustellung oder Benachrichtigung an ihn zu richten ist. Erwähnenswert sind die folgenden Fälle: Zustellung des Pfändungsbeschlusses (§ 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO); des Überweisungsbeschlusses (§ 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO); Übergabe beweglicher Sachen bei der Herausgabevollstreckung (§ 885 Abs. 2 ZPO). Statt eines besonderen Vertreters kann der Gläubiger nach seiner Wahl auch die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragen (§ 1961 BGB). Die Bestellung eines besonderen Vertreters erübrigt sich dann (Abs. 2 Satz 2). Nach Abs. 2 Satz 2 hat die Bestellung eines besonderen Vertreters zu unterbleiben, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist oder die Verwaltung des Nachlasses einem Testamentsvollstrecker zusteht. Für die Bestellung eines Nachlasspflegers ist aber dann kein Raum, wenn der Gläubiger den von ihm geltend gemachten Anspruch verfahrensrechtlich geltend machen kann und er aufgrund eines bereits gegen den Erblasser erwirkten Titels die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen (= Nachlass des Erblassers; vgl. § 778 Abs. 1 ZPO) betreiben kann. Denn insofern ist er an der "gerichtlichen Geltendmachung" seines Anspruchs nicht deswegen gehindert, weil derzeit der Erbe des Erblassers nicht feststeht (OLG Hamburg, ErbR 2020, 587; OLG München, NJW-RR 2014, 394 = Rpfleger 2014, 205 = FGPrax 2014, 77). Das ist dann der Fall, wenn – wie im Falle des § 779 Abs. 1 ZPO – die Zwangsvollstreckung in den Nachlass ohne Umschreibung der vollstreckbaren Ausfertigung fortgesetzt werden kann. Insoweit kann aus dem Titel weiter in den Nachlass vollstreckt werden, wobei die fortgesetzte Zwangsvollstreckung auch Gegenstände erfassen kann, die bisher nicht erfasst waren. Darauf, ob dem Vollstreckungsgläubiger solche Gegenstände bekannt sind, kommt es nicht an (OLG München, a. a. O.).

 

Rz. 5

Zur Bestellung ist ein Antrag des Gläubigers notwendig. Dieser kann ohne Anwaltszwang schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Vollstreckungsgerichts gestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss, der dem Gläubiger und dem bestellten Vertreter mitzuteilen ist (§ 329 Abs. 2 ZPO). Zuständig ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 RPflG). Der bestellte "besondere Vertreter" hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die Vertretungsmacht kraft Bestellung gilt für alle im Rahmen der Zwangsvollstreckung vorzunehmenden Handlungen des Schuldners und auch zur Einlegung von Rechtsbehelfen (BeckOK/ZPO-Preuß, § 779 Rn., 11). Nach überwiegender Ansicht, der zu folgen ist, ist der einstweilige besondere Vertreter auch befugt, erforderlichenfalls Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO für den Erben einzulegen (BeckOK/ZPO-Preuß, § 779 Rn. 11.1). Sie gilt jedoch nicht für die Erteilung der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO und die entsprechende eidesstattliche Versicherung, die der Bestellte nicht für den Schuldner ablegen muss. Die Bestellung endet mit ihrer Aufhebung und nicht etwa bereits dann, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat und das Vollstreckungsverfahren gegen ihn fortgesetzt werden kann (BGH, NJW 2010, 157 = MDR 2010, 51). Zur Aufhebung der Bestellung ist das Vollstreckungsgericht verpflichtet, wenn der Erbe, ein Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker in das Vollstreckungsverfahren eintritt. Die für das Zwangsvollstreckungsverfahren notwendige Rechtssicherheit (insoweit: BGHZ 177, 218) erfordert für die Beendigung des Amtes des einstweiligen besonderen Vertreters die Aufhebung seiner Bestellung durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts. Anderenfalls können Zweifel darüber auftreten, in welchem Zeitpunkt Handlungen des Vertreters noch wirksam sind (BGH a. a. O.).

 

Rz. 6

Ist die Hinzuziehung des Schuldners im Einzelfall erforderlich, dann darf die Zwangsvollstreckung nicht fortgesetzt werden, bis der Vertreter bestellt ist (vgl. auch § 52 Nr. 1 GVGA). Die Kosten des Bestellten sind solche der Zwangsvollstreckung (§ 788 ZPO) und als solche – zunächst – vom Gläubiger zu tragen.

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