1 Grundsatz – Zweck

 

Rz. 1

Die Bestimmung regelt die Rechtsfolgen einer dem Schuldner im Zusammenhang mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus einem nicht rechtskräftigen Urteil nach § 711 S. 1 ZPO und § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO eingeräumten Abwendungsbefugnis. Ist es dem Schuldner gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden, soll diese Möglichkeit nicht durch eine eilige Vollstreckung des Gläubigers unterlaufen werden können. Zu beachten ist nämlich stets, dass mit der Beendigung der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit ihrer Abwendung – durch Sicherheitsleistung – entfällt. Während der Zeit, in der der Schuldner sich um die Aufbringung der Sicherheitsleistung bemüht, soll der Gläubiger sich daher nach der Vorschrift nur sichern, nicht aber befriedigen können.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Bestimmung hat Bedeutung nur bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen (§§ 808 bis 827 ZPO). Bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen trifft die Bestimmung des § 839 ZPO eine vergleichbare Regelung. Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist, dass das (zu vollstreckende) Urteil eine Anordnung nach § 711 Satz 1 ZPO oder nach § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält. Nicht anwendbar ist die Vorschrift in den Fällen der §§ 707, 719 ZPO, wenn die Einstellung der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung des Schuldners abhängig gemacht wird. In diesen Fällen kann der Gläubiger aus dem Urteil so lange (ungehindert) vollstrecken, bis die Sicherheitsleistung vom Schuldner tatsächlich erbracht ist (BGH, NJW 1968, 398). Im Falle der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 711 Satz 1 ZPO gilt die Vorschrift allerdings nur so lange, wie nicht der Gläubiger seinerseits Sicherheit geleistet hat, denn die Befugnis des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung entfällt für den Schuldner in diesem Falle mit der Sicherheitsleistung des Gläubigers (Zöller/Herget, § 720 Rn. 5).

3 Fallgestaltungen

3.1 Keine Sicherheitsleistung durch den Schuldner

 

Rz. 3

Für den Eintritt der Rechtswirkungen des § 720 ZPO ist es ohne Belang, ob der Schuldner von der ihm eingeräumten Befugnis durch Sicherheitsleistung Gebrauch macht. Hat der Schuldner noch keine Sicherheit geleistet, kann der Gläubiger – bei Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen im Übrigen, versteht sich – mit der Vollstreckung beginnen. Der Gerichtsvollzieher z. B. kann beim Schuldner vorgefundene körperliche Sachen pfänden. Soweit es sich dabei um Geld handelt, ist es sogleich zu hinterlegen. Gepfändete Gegenstände können versteigert und an den Ersteher abgeliefert werden. Der Erlös ist nicht an den Gläubiger auszukehren, sondern zu hinterlegen. Allein die im Tenor ausgesprochene – in diesen Fällen jedoch ungenutzte – Befugnis des Schuldners zur Abwendung der Zwangsvollstreckung genügt für diese Beschränkung (BayObLG, MDR 1976, 852).

3.2 Sicherheitsleistung durch den Schuldner

 

Rz. 4

Leistet der Schuldner die ihm nachgelassene Sicherheit, ist der Beginn der Zwangsvollstreckung unzulässig und eine begonnene nach § 775 Nr. 3 ZPO einzustellen; bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben (§ 776 ZPO; Zöller/Herget, § 720 Rn. 1).

3.3 Sicherheitsleistung durch den Gläubiger

 

Rz. 5

Ist dem Gläubiger im Falle des § 711 Satz 1 ZPO die Sicherheitsleistung gestattet und leistet er diese vor Beginn der Zwangsvollstreckung, ist § 720 ZPO nicht anwendbar mit der Folge, dass der Schuldner die Zwangsvollstreckung nicht abwenden darf und dieselbe uneingeschränkt zulässig ist (Zöller/Herget, § 720 Rn. 2). Leistet der Gläubiger seinerseits die Sicherheit allerdings erst, nachdem der Schuldner Sicherheit geleistet hatte, ist das gepfändete Geld oder der hinterlegte Erlös an ihn abzuliefern. Der Schuldner kann seine geleistete Sicherheit nach § 109 ZPO zurückverlangen.

4 Zahlung des Schuldners

 

Rz. 6

Zahlt der Schuldner freiwillig unmittelbar an den Gläubiger, ist eine Zwangsvollstreckung nicht notwendig mit der Folge, dass die Vorschrift nicht anwendbar ist.

 

Rz. 7

Zahlt der Schuldner vor der Pfändung an den Gerichtsvollzieher, ohne die Hinterlegung des gezahlten Betrags zu verlangen, hat dieser das Geld an den Gläubiger abzuliefern. Eine Hinterlegung kommt nicht in Betracht, weil davon auszugehen ist, dass sich der Schuldner dem Urteilsspruch fügt und den Gläubiger auf diese Weise befriedigen will (Zöller/Herget, § 720 Rn. 4).

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