1 Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gibt dem Arbeitgeber einen Handlungsrahmen auf, dass er immer dann, wenn die gleichen Voraussetzungen vorliegen, die Arbeitnehmer gleich zu behandeln hat. Es handelt sich also um ein positives "Gebot" an den Arbeitgeber, das ihm ein bestimmtes Verhalten, nämlich Gleichbehandlung, bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen vorschreibt (Gleichbehandlungsgebot).[1]

Zur Anwendung kommt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Leistung oder Vergünstigung nach einem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt werden soll. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert daher, dass der Arbeitgeber Gruppen begünstigter Arbeitnehmer bildet, die sich anhand abstrakter Merkmale von den anderen Arbeitnehmern der nicht begünstigten Gruppe unterscheidet. Hierbei muss der Anknüpfungspunkt einen kollektiven Bezug aufweisen – also das Merkmal bzw. die Merkmale, die zu einer Besserstellung führen, müssen bei allen Begünstigten vorliegen.

Dagegen kommt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung, wenn es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt.[2]

 
Praxis-Beispiel

Zahlung einer Jubiläumsgratifikation

Wenn der Arbeitgeber den Mitarbeitern bei einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren eine Jubiläumsgratifikation zahlt, muss er die Gratifikation "Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren" an alle Arbeitnehmer zahlen, die diese Voraussetzung erfüllen (= Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei gleichen Voraussetzungen), also eine Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren aufweisen.

In diesem Beispiel hat der Arbeitgeber eine sich selbst gegebene Regel aufgestellt, dass er allen Arbeitnehmern, die das Kriterium (Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren) erfüllen, die Vergünstigung (= Zahlung einer Gratifikation) gewähren will. Daher muss er nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz auch alle Arbeitnehmer, die dieses Kriterium erfüllen, gleich behandeln und darf nicht einzelne Arbeitnehmer innerhalb dieser Gruppe willkürlich schlechter stellen bzw. eine sachfremde Gruppe bilden.

Eine ungleiche Behandlung darf nur dann erfolgen, wenn es einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt. Bei Vorliegen sachlicher Differenzierungsgründe darf der Arbeitgeber also einen Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern ungünstiger behandeln. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz soll den Arbeitnehmer vor einer willkürlichen schlechteren Behandlung gegenüber anderen Arbeitnehmern schützen, wenn an sich die gleichen (abstrakten) Voraussetzungen vorliegen. Zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist prinzipiell jeder sachliche Grund geeignet.[3]

Infographic

[1] Temming, in: Preis/Temming, Arbeitsrecht – Individualarbeitsrecht, 6. Aufl. 2020, Rn. 1435.
[3] Thüsing, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2021, AGG § 1 Rn. 5.

2 Diskriminierungsverbote (insb. im AGG)

Im Unterschied zum Gleichbehandlungsgrundsatz wird bei den Diskriminierungsverboten dem Arbeitgeber kein (positiver) Handlungsrahmen vorgegeben, sondern es ist ihm (negativ) verboten, wegen gewisser (verpönter) Merkmale Arbeitnehmer ungleich zu behandeln (Unterscheidungsverbot). Diskriminierungsverbote sind damit als ungeeignete sachliche Differenzierungsgründe im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes anzusehen.[1] Anders als beim Gleichbehandlungsgrundsatz genügt für die Rechtfertigung hier nicht mehr jeder sachliche Grund, sondern bestimmte Gründe werden als solche per se von der Rechtfertigung ausgeschlossen.[2] Insofern haben die besonderen Diskriminierungsverbote des AGG Auswirkungen auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, als dass nunmehr nicht mehr jeder sachliche Grund zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen werden kann. Vielmehr dürfen die besonderen Diskriminierungsverbote als Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung nicht mehr herangezogen werden, da sie zu einer vom Gesetzgeber unerwünschten Benachteiligung dieser Personen führen würde.

Daher bedürfen die Diskriminierungsverbote – anders als der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz – stets der ausdrücklichen gesetzlichen Normierung.[3] Der Gesetzgeber trifft quasi eine Auswahl unter den Diskriminierungsmerkmalen und definiert somit, was kein tauglicher sachlicher Differenzierungsgrund ist. Beim AGG hat sich der Gesetzgeber auf die in § 1 AGG genannten unzulässigen Diskriminierungsmerkmale beschränkt.

Es gibt aber in anderen nationalen Rechtsordnungen weitere zusätzlich verbotene Diskriminierungsmerkmale, die vom AGG nicht geschützt sind. So ist z. B. in Frankreich die Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung, des Familienstandes oder der Vermögenssituation des Arbeitnehmers verboten oder in den Niederlanden die Diskriminierung aufgrund der Nationalität.[4]

Spezialgesetzlich ist eine Regelu...

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