Leitsatz

  1. Sanierung gravierender Mängel der Bausubstanz (hier: Hausschwamm mit sonstigen holzzerstörenden Pilzen) muss grundsätzlich DIN-gerecht erfolgen
  2. Gestaltungsentscheidung des Gerichts nach § 21 Abs. 8 WEG bedarf neuerlicher sachverständlicher Klärung und hat für den entscheidungsumsetzenden Verwalter klar festzulegen, welche konkreten Maßnahmen er zu veranlassen hat
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 3 und 8 WEG; DIN 68800 Teil 4 i.V.m. WTA-Merkblatt Nr. 1-2-05/D

 

Kommentar

  1. In der Gemeinschaft bestand Streit über notwendige Sanierungsmaßnahmen einer Dach- bzw. Deckenkonstruktion mit Befall von "echtem Hausschwamm" und sonstigen holzzerstörenden Pilzen. Während sich ein Sachverständigengutachten eines klagenden Eigentümers auf die DIN 68800 Teil 4 i.V.m. dem WTA-Merkblatt Nr. 1-2-05/D berief, kam der Sachverständige auftrags der Gemeinschaft zu dem Ergebnis, dass allenfalls leichte Schäden der Deckenkonstruktion vorlägen. Die Revision musste sich mit dem allgemein anerkannten Stand der Technik sowie den Regeln der Baukunst und einschlägiger DIN-Norm auseinandersetzen.
  2. Eine Beschränkung der Revisionszulassung kann sich auch aus den Entscheidungsgründen eines Berufungsurteils ergeben, sofern daraus klar und eindeutig der Wille des Berufungsgerichts hervorgeht, die Revision in bestimmter Hinsicht zu beschränken (vgl. BGH v. 29.1.2004, V ZR 244/03 und BGH, Urteil v. 20.5.2011, ZWE 2011 S. 331 und BGH v. 11.5.2012, V ZR 193/11). Vorliegend wurde Revision lediglich zur Klärung der "Fragen des Umfangs der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Herstellung des Gemeinschaftseigentums unter Bezugnahme auf eine DIN-Vorschrift" für erforderlich angesehen. Die Revision führte unter Aufhebung verbundener Berufungsurteile zur Zurückweisung.
  3. Urteile des Amtsgerichts nach § 21 Abs. 8 WEG anstelle einer von Wohnungseigentümern getroffenen Regelung (hier: der Dachboden sei nach Vorgaben der DIN 68800 zu sanieren) vermögen ein Rechtsschutzinteresse für eine Beschlussanfechtung schon deshalb nicht infrage zu stellen, weil gerichtliche Beschlussersetzungen – anders als (nicht nichtige) Beschlüsse der Wohnungseigentümer nach § 23 Abs. 4 WEG – nicht schon mit der Beschlussfassung gültig sind; solche Regelungen nach § 21 Abs. 8 WEG werden durch Gestaltungsurteil ausgesprochen und entfalten damit Wirkungen erst mit Eintritt der Rechtskraft (vgl. BGH v. 10.6.2011, V ZR 146/10). Anfechtung eines Negativbeschlusses und Hilfsantragstellung auf Beschlussersetzung genügt hinreichenden Bestimmtheitserfordernissen, zumal bei Beschlussersetzung das grundsätzlich den Eigentümern zustehende Ermessen vom Richter ausgeübt wird und deshalb – anders als nach der allgemeinen Vorschrift des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO – die Angabe des Rechtsschutzziels genügt (h.M.). Allerdings ist die Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 21 Abs. 8 WEG revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Wenn nun ein Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt, dass mit Blick auf die Werterhaltung und die Verkäuflichkeit von Wohnungen nur eine den allgemein anerkannten Stand der Technik sowie die Regeln der Baukunst beachtende Sanierung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, trifft dies jedenfalls bei Vorliegen gravierender Mängel der Bausubstanz – wie hier der festgestellten Dekonstruktionsfäule – zu.

    Da DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, führt dies im rechtlichen Ausgangspunkt dazu, dass solche Sanierungen nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn sie auch DIN-gerecht durchgeführt werden. Diese Vermutung kann allerdings entkräftet werden. Nur wenn dies gelingt, bleibt den Eigentümern bzw. dem Richter im Rahmen eingeräumten Gestaltungsermessens Raum für eine von DIN-Normen abweichende Sanierung. DIN-Normen sind nämlich keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können (h.M.), weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnisse in einem ständigen Wandel begriffen sind. Zur Schädlingsbekämpfung können sich insoweit neuerliche Erkenntnisse ergeben haben, was zuverlässig nur durch weitere Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden kann. Tritt also eine Partei der Vermutungswirkung im Zivilprozess unter Beweisantritt entgegen, hat auch das Gericht diesem Vortrag grundsätzlich nachzugehen. Vorliegend wurde beklagtenseits auf neuere biologische Erkenntnisse über Holzschädlinge unter Sachverständigenbeweis hingewiesen. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens kann ein Gericht nur bei Vorliegen eigener Sachkunde absehen, was jedoch voraussetzt, dass die Sachkunde des Gerichts den Parteien vor der Entscheidung bekannt gemacht und zudem im Urteil im Einzelnen dargelegt wird (h.M.); daran fehlte es vorliegend, wie die Revision zu Recht rügte. Ebenso verhält es sich, soweit das Berufungsgericht seine Erwägungen auf gerichtsbekannte Tatsach...

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