Eine Beschlussfassung durch alle Gesellschafter ist für alle Grundlagengeschäfte, die die Zusammensetzung und die Organisation der Gesellschaft betreffen, erforderlich. Zu den Grundlagengeschäften zählen zunächst alle Änderungen des Gesellschaftsvertrages, aber auch die Auflösung der Gesellschaft und die Umwandlung in eine andere Gesellschaftsform (siehe unter 2.2). Eine Beschlussfassung ist auch für außergewöhnliche Geschäfte erforderlich, § 715 Abs. 2 Satz 2 BGB. Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die nach ihrer Bedeutung, nach ihrem Inhalt und Zweck und den mit ihnen verbundenen Gefahren über den gewöhnlichen Rahmen des Geschäftsbetriebs hinausgehen, z. B. der Wechsel des wichtigsten Vertragspartners oder die Neuausrichtung der Geschäftspolitik.

Alle übrigen Geschäfte, die keine Grundlagengeschäfte und keine außergewöhnlichen Geschäfte sind, gehören zur Geschäftsführung, also alle rein tatsächlichen und alle rechtsgeschäftlichen Tätigkeiten.[10] Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst dabei zum einen das rein tatsächliche Handeln zur Erreichung des Gesellschaftszwecks.

 
Praxis-Beispiel

Tatsächliches Handeln für die Gesellschaft

Zum tatsächlichen Handeln der Geschäftsführer für die GbR gehören die Organisation des Unternehmens, die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber den Arbeitnehmern, Buchführung und die Kommunikation mit Dritten.

Zum anderen umfasst die Geschäftsführungsbefugnis auch die Entscheidung über das Eingehen rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen wie die Einstellung von Arbeitnehmern, der Kauf und Verkauf von Ware und das Eingehen von Miet- und anderen Verträgen.

 
Achtung

Kein Abschluss von Verträgen

Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst nur die Entscheidungsfindung im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander hinsichtlich des künftigen Vertragsschlusses, nicht den rechtsverbindlichen Vertragsschluss mit Dritten selbst.

Die Befugnis der Gesellschafter im Außenverhältnis mit Dritten rechtsverbindliche Verträge abzuschließen, wird als Vertretungsbefugnis bezeichnet.[11] Die Vertretungsbefugnis verleiht die Vertretungsmacht, im Namen und mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft Verträge mit Dritten abzuschließen. Sie betrifft das Außenverhältnis der Gesellschaft, das rechtliche Können aufgrund der Vertretungsmacht. Die Geschäftsführungsbefugnis betrifft dagegen das Innenverhältnis, das rechtliche Dürfen. Das bedeutet, der geschäftsführende Gesellschafter darf entscheiden, ob, mit wem und zu welchen Bedingungen Verträge abgeschlossen werden, aber nur der vertretungsberechtigte Gesellschafter kann rechtsverbindliche Verträge für die GbR abschließen.

Die Geschäftsführungsbefugnis und die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter können deckungsgleich sein, sie können aber auch auseinanderfallen (siehe unter 2.1.3). Deshalb müssen beide Befugnisse immer streng getrennt betrachtet werden.

[10] BGH, Urteil v. 15.2.2022, II ZR 235/20, NJW 2022, 1878; Jauernig-Stürner, Bürgerliches Gesetzbuch, 19. Aufl. 2023, §§ 709, 714–716 nF Rn. 6; Windbichler/Bachmann, Gesellschaftsrecht, 25. Aufl. 2024, § 8 Rn. 103 f.
[11] Koch, Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2021, S. 50 f.; Windbichler/Bachmann, Gesellschaftsrecht, 25. Aufl. 2024, § 8 Rn. 86 f.

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