2.1 Bilanzierungspflicht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert

Nach § 246 Abs. 1 Satz 4 EStG "gilt" ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 beginnen, als zeitlich begrenzt abnutzbarer Vermögensgegenstand. Anders als in den Jahren davor normiert § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB eine Bilanzierungspflicht für den derivativen, also den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB definiert den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert als den "Unterschiedsbetrag, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt". Mit § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB wird der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert im Wege einer Fiktion ("gilt") zum zeitlich begrenzt nutzbaren Vermögensgegenstand erhoben.[1]

Zum selbst geschaffenen – im Unternehmen entstandenen – Geschäfts- oder Firmenwert äußert sich das HGB nicht explizit. Nur der derivative Geschäftswert wurde zum Vermögensgegenstand erklärt. Daraus wird geschlossen, dass ein originärer Geschäfts- oder Firmenwert nach wie vor einem Aktivierungsverbot unterliegt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da der Gesetzgeber ansonsten keine Differenzierung zwischen dem entgeltlichen und dem unentgeltlichen bzw. selbst geschaffenen Firmenwert hätte vornehmen müssen.

[1] BT-Drucks. 16/10067 v. 30.7.2008 S. 47.

2.2 Abschreibung in der Handelsbilanz

Aufgrund der Fiktion des § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB, wonach ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert als Vermögensgegenstand gilt, unterliegt der derivative Geschäfts- oder Firmenwert auch den Bewertungsregeln des § 253 HGB. Das bedeutet, dass er nach § 253 Abs. 3 Satz 1 HGB planmäßig und außerplanmäßig nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB abzuschreiben ist.[1]

 
Wichtig

Abschreibungsdauer

Durch das BilRUG[2] wurde eine spezielle Regelung für die Geschäftswertabschreibung in das HGB aufgenommen: Kann in Ausnahmefällen die voraussichtliche Nutzungsdauer eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens nicht verlässlich geschätzt werden, sind planmäßige Abschreibungen auf die Herstellungskosten über einen Zeitraum von 10 Jahren vorzunehmen.[3] Diese Vorschrift findet auf einen entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert entsprechende Anwendung.[4] Diese Regelung ist verpflichtend anzuwenden für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen, also für Geschäftswerte, die nach dem 31.12.2015 erworben wurden.

Zudem wird ab 2016 im Anhang bzw. Konzernanhang jeweils eine Erläuterung des Zeitraums verlangt, über den ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben wird.[5] Diese Erläuterung ist unabhängig von der angewendeten Nutzungsdauer.

 
Hinweis

Vorgehensweise in der Praxis

In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Nutzungsdauer des Geschäftswerts verlässlich geschätzt werden kann. Falls ja, ist über die geschätzte Nutzungsdauer abzuschreiben. Das können weniger, aber auch mehr als zehn Jahre sein. Ist eine verlässliche Schätzung – wie oft – nicht möglich, erfolgt eine Abschreibung über 10 Jahre.[6]

[1] Vgl. Neufang/Otto, DStR 2012 S. 225.
[2] BilRUG v. 17.7.2015, BGBl 2015 I S. 1245.
[6] Theile, BBK 2015 S. 642, unter I.1.

2.3 Außerplanmäßige Abschreibung und Wertaufholung

Nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB ist auf den Geschäftswert bei voraussichtlich dauernder Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung vorzunehmen, um ihn mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihm am Abschlussstichtag beizulegen ist (Abschreibungspflicht). Ein niedriger Wertansatz eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts ist aber kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung beizubehalten (Wertaufholungsverbot nach § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB).

Diesem Verbot liegt nach der Begründung des Gesetzgebers die Überlegung zu Grunde, dass eintretende Werterholungen eines Geschäfts- oder Firmenwerts nach einer außerplanmäßigen Abschreibung auf der Geschäfts- oder Betriebstätigkeit des Unternehmens beruhen, das den vorher abgeschriebenen Geschäfts- oder Firmenwert erworben hat. Eine Wertaufholung beruht nicht darauf, dass die Gründe der außerplanmäßigen Abschreibung zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr bestehen. Mithin würde eine Wertaufholung eine (verbotene) Aktivierung eines selbst geschaffenen (originären) Geschäfts- oder Firmenwerts darstellen.[1]

[1] So Wohlgemuth/Radde in: BilR – eKommentar, § 253 HGB R. 455 (Stand: 7.4.2020).

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