Leitsatz

Gemäß 21 Abs. 8 WEG kann das Gericht im Einzelfall die Ausübung der Ermessensentscheidung an sich ziehen, wenn der Spielraum der Ermessensentscheidung auf Null reduziert ist oder wenn die Versammlung sich mehrheitlich weigert, eine den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechende Entscheidung herbeizuführen.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 8 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer RV erneuert Fenster, legt den Dachboden, der zu seinem Sondereigentum gehört, frei und versieht das Dach mit neuen Pfannen. Den Dachüberstand lässt er offen. An der Wohnungseigentumsanlage, die keinen Verwalter hat, bestehen 3 Wohnungseigentumsrechte, von denen RV Eigentümer von zweien ist.
  2. Wohnungseigentümer B ersteigert das Wohnungseigentum von RV. Im Jahr 2012 fragt Wohnungseigentümer K den Wohnungseigentümer B, was man zum Abschluss der Gebäudehülle tun sollte. K sieht unter anderem einen Handlungsbedarf, weil im Dachboden ungedämmte Wasserleitungen liegen, die seine Einheit mit Wasser versorgen. Da sich B nicht rührt, fordert K im November 2012 B unter Fristsetzung zum 18.12.2012 auf, die Bauarbeiten von RV fertigzustellen, damit "ein nach außen abgeschlossener und abgedichteter Gebäudekomplex vorliegt". Am 14.12.2012 kündigt B die Arbeiten für das Frühjahr 2013 an. Im Frühjahr 2013 bleibt B untätig. K fordert ihn daher im April 2013 nochmals, aber erfolglos zum Tun auf.
  3. Mit Anwaltsschreiben vom Oktober 2013 fordert der Kläger B auf, zuzustimmen, dass die "WEG" die Arbeiten durchführt und B dieses duldet. B erklärt sich nicht. Mit einem weiteren Schreiben aus dem Oktober 2013 teilt K dann mit, dass er im November 2013 eine Versammlung wünsche, wo er die Zustimmung und Duldung zur Abstimmung stellen will. Im November 2013 schlägt B dem K vor, sich am 5., 12. oder 19. Dezember 2013 zu treffen. An diesen Tagen finden keine Versammlungen, sondern Verhandlungen über einen wechselseitigen Verkauf der Wohnungseigentumsrechte statt. Nunmehr beauftragt K einen Sachverständigen. Dieser soll die möglichen Abschlussmöglichkeiten der Gebäudehülle ermitteln. Beim Ortstermin stellt der Sachverständige fest, dass er für "belastbare Aussagen" B's Wohnungseigentum besichtigen muss. K fordert B entsprechend auf, dieser reagiert aber nicht.
  4. Jetzt klagt K. Er beantragt, gemäß § 21 Abs. 8 WEG nach billigem Ermessen des Gerichts eine angemessene Regelung zu treffen, die dazu führt, dass im Bereich des Sondereigentums des Beklagten eine Herstellung bzw. Fertigstellung derart vorgenommen wird, dass ein nach außen abgeschlossener und abgedichteter Gebäudekomplex vorliegt.

    § 21 Abs. 8 WEG

    Treffen die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht, so kann an ihrer Stelle das Gericht in einem Rechtsstreit gem. § 43 nach billigem Ermessen entscheiden, soweit sich die Maßnahme nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss der Wohnungseigentümer ergibt.

    Ferner soll B verurteilt werden, die Durchführung dieser Maßnahmen zu dulden und sämtliche hierfür entstehende Kosten zu tragen. B meint, K fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Vor einer Klage müsse zuvor eine Versammlung durchgeführt werden. Des Weiteren sei die Geltendmachung unzulässig, da es sich "um einen Anspruch der WEG" handle. Zunächst müsse außerdem RV auf Rückbau in Anspruch genommen werden. Dieser sei auch auf Zahlung der Kosten in Anspruch zu nehmen. Des Weiteren sei die Klage "gegen die WEG" zu richten. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 8 WEG lägen nicht vor, weil die begehrten Maßnahmen keine Verwaltungsmaßnahmen seien. Ferner meint er, als Sonderrechtsnachfolger weder zur Durchführung noch zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet zu sein.

 

Die Entscheidung

  1. K's Klage hat teilweise Erfolg! Der Klage fehle nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar sei es richtig, dass vor einer Inanspruchnahme eines Verfahrens nach § 21 Abs. 8 WEG versucht werden muss, einen Beschluss herbeizuführen. Hier sei es aber anders. Der zeitliche Ablauf zeige, dass den Parteien keine Versammlung gelingt, insbesondere weil B nicht auf K's entsprechende Anregungen reagiere. Die Klage sei richtigerweise auch gegen B als den anderen Wohnungseigentümer gerichtet.
  2. K hat aber freilich keinen unmittelbaren Anspruch auf einen Beschluss zu einer derartigen Herstellung von B's Sondereigentum, dass ein nach außen "abgeschlossener und abgedichteter Gebäudekomplex" vorliege. Es sei vielmehr zunächst ein Sachverständiger mit der Erarbeitung von Vorschlägen und Lösungsmöglichkeiten sowie der Kostenermittlung hierfür zu beauftragen.
  3. Das Gericht sei im Rahmen von § 21 Abs. 8 WEG befugt, die von den Wohnungseigentümern vorzunehmende Handlung selbst vorzunehmen und auch über die Art und Weise der Umsetzung der nach § 21 Abs. 4 WEG gebotenen Beschlussfassung zu entscheiden. Dabei sei es ausreichend, wenn der Kläger sein Rechtsschutzziel angebe (Hinweis auf LG Berlin v. 5.5.2013, 55 S 52/12 WEG, ZWE 2014 S. 40). Zwar sei grundsätzlich die Versammlung für die Beschlussfassung und die nähere Ausgestaltung einer Maßn...

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