Leitsatz

Zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht eine schuldrechtliche Sonderverbindung, aus der Treue- und Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB entspringen können. Ein geschädigter Miteigentümer ist verpflichtet, nicht den schädigenden Miteigentümer auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der Gebäudeversicherer nicht Regress nehmen könnte und nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen.

 

Fakten:

Infolge eines Waschmaschinendefekts drang beim benachbarten Wohnungseigentümer Wasser ein. Anschließend wurden Trocknungsmaßnahmen ergriffen. Der Gebäudeversicherer glich die Kosten für die Trocknungsgeräte aus und genehmigte den Kostenvoranschlag für Malerarbeiten. Der geschädigte Wohnungseigentümer behauptet nunmehr, die Trocknungsmaßnahmen hätten den eingetretenen Schaden nicht vollständig beseitigt. Infolge der Durchfeuchtungen sei es zu Schimmelbefall gekommen, der ein Verbleiben in der Wohnung unzumutbar gemacht habe. Gegenstand seiner Klage gegen den schädigenden Wohnungseigentümer sind Kosten der Wohnungssanierung sowie Aufwendungen, die der geschädigte Eigentümer für die vorgerichtliche Schadensfeststellung und seine anderweitige Unterkunft aufgebracht hat. Der Anspruch musste jedoch zurückgewiesen werden. Ob und inwieweit aus dem zwischen Wohnungseigentümern bestehenden Schuldverhältnis über § 14 WEG hinaus Pflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme herzuleiten sind, kann zwar nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage der Wohnungseigentümer bestimmt werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Gebäudeversicherungen von Wohnungseigentümergemeinschaften in der berechtigten Erwartung abgeschlossen werden, dass ihren Mitgliedern die versicherten Risiken abgenommen und ihnen unerquickliche und ein gedeihliches Miteinander beeinträchtigende Auseinandersetzungen untereinander erspart bleiben. Dies insbesondere dann, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist und der den Schaden ausgleichende Gebäudeversicherer nicht Regress nehmen kann gegen den Schädiger. Das mit dem Abschluss der Gebäudeversicherung verfolgte Anliegen, den mitversicherten Wohnungseigentümer wegen eines der Gebäudeversicherung unterfallenden Interesses grundsätzlich nicht zu behelligen, kann nur erreicht werden, wenn sich der geschädigte Wohnungseigentümer an den Gebäudeversicherer hält. Nimmt er dagegen den Schädiger in Anspruch, wird dieser in seiner berechtigten Erwartung enttäuscht, als Gegenleistung für die auch von ihm anteilig über das Hausgeld gezahlte Versicherungsprämie im Schadensfall einen Nutzen von der Gebäudeversicherung zu haben. Aus dieser Interessenlage folgt die Verpflichtung des geschädigten Wohnungseigentümers, sich bei Vorliegen eines Versicherungsfalls grundsätzlich nicht an andere Miteigentümer zu halten. Nimmt der Geschädigte gleichwohl den Schädiger in Anspruch, steht diesem ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung zur Seite, den er der Klageforderung nach § 242 BGB entgegenhalten kann.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 10.11.2006, V ZR 62/06

Fazit:

Für den Bereich des Mietrechts hatte der BGH bereits entschieden, dass ein geschädigter Vermieter verpflichtet ist, nicht den schädigenden Mieter auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn ein Versicherungsfall vorliegt, ein Regress des Gebäudeversicherers gegen den Mieter ausgeschlossen ist und der Vermieter nicht ausnahmsweise ein besonderes Interesse an einem Schadensausgleich durch den Mieter hat. Verletzt der Vermieter diese Pflicht, steht dem Mieter ein Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung zu, den er dem Anspruch des Geschädigten nach § 242 BGB entgegenhalten kann (BGH, Urteil v. 3.11.2004, Az.: VIII ZR 28/04).

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