1 Leitsatz

Jeder Wohnungseigentümer kann die Herausgabe des gemeinschaftlichen Eigentums an sich verlangen.

2 Normenkette

§ 16 Abs. 1 Satz 3 WEG

3 Das Problem

Auf die Klage von Wohnungseigentümer K verurteilt das AG Wohnungseigentümer B dazu, es zu unterlassen, K von der Nutzung einer Stellplatzanlage auszuschließen und die Stellplätze an K durch Einräumung von Mitbesitz herauszugeben. B mache von der Stellplatzanlage widerrechtlich Gebrauch. Die Stellplatzanlage stehe im gemeinschaftlichen Eigentum. Nach der Teilungserklärung sei weder Sondereigentum noch ein Sondernutzungsrecht an den Stellplätzen begründet worden. B habe an der Anlage auch kein Sondernutzungsrecht – auch nicht durch jahrzehntelange Übung. Gegen dieses Urteil legt B die Berufung ein. Er meint, die Stellplatzanlage stehe in seinem Alleineigentum. Sie sei separiert von übrigen baulichen Konstruktionen in der Liegenschaft an der nordwestlichen Grundstücksgrenze errichtet worden. Sie sei im rechtlichen Sinne nicht fest mit dem Grundstück verbunden. Es handele sich um eine Ständerkonstruktion, die sich über 6 Pfosten auf den Elbhang stütze.

4 Die Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Stellplatzanlage sei gemeinschaftliches Eigentum. Sie sei ein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Sie sei (jedenfalls) im oberen Bereich mit dem Erdreich des Grundstücks und der angrenzenden Stützmauer verbunden. Die Stellplatzanlage sei auch nicht lediglich ein Scheinbestandteil. Denn die Errichtung der Stellplatzanlage sei nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Wohnungseigentümer dem B durch eine stillschweigende schuldrechtliche Vereinbarung ein Sondernutzungsrecht an der Stellplatzanlage eingeräumt hatten. B selbst trage vor, sämtliche ehemaligen und derzeitigen Wohnungseigentümer seien davon ausgegangen, dass das alleinige Nutzungsrecht an der Stellplatzanlage von Anfang an ihr zugestanden habe. Dann aber habe den Wohnungseigentümern jedes rechtsgeschäftliche Erklärungsbewusstsein gefehlt, B durch ihre widerspruchslose Duldung abweichend von den Regelungen der Teilungserklärung ein Sondernutzungsrecht an der Stellplatzanlage einzuräumen.

Hinweis

  1. Der Fall spielt im alten Recht. Im neuen Recht wäre er anders zu lösen! Zwar hat sich bei der Frage, in wessen Eigentum eine Stellplatzanlage steht, nichts geändert. Nach § 9a Abs. 2 WEG kann aber nur noch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Herausgabe einer Grundstücksfläche oder eines Raums verlangen. Diese Herausgabe müsste der Verwalter organisieren. Zum einen müsste er die Wohnungseigentümer als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG auf den fehlerhaften Gebrauch aufmerksam machen. Zum anderen müsste er ihnen als Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vorschlag machen, wie vorzugehen ist. Dass der Verwalter selbst "losschlagen" müsste, kann ich hingegen derzeit nicht erkennen. Allerdings ist es möglich, dass die Praxis davon ausgeht, der Verwalter müsse bei Verletzungen einer Benutzungsvereinbarung oder eines Benutzungsbeschlusses, bei unrechtmäßigen baulichen Veränderungen oder bei Verstößen gegen die vereinbarte oder beschlossene Hausordnung das Notwendige selbst organisieren. Insoweit muss man abwarten, wohin sich die "Schwarmintelligenz" entwickelt. Ich selbst würde es bedauern, wenn der Verwalter insoweit zu einer "Ordnungspolizei" in der Wohnungseigentumsanlage mutieren würde.
  2. Neu ist im Übrigen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WEG oder nach § 3 Abs. 2 WEG Grundstücksflächen im Alleineigentum stehen können. Dies dürfte für die Verwaltung von Wohnungseigentum im Einzelfall zu großen Problemen führen. Insoweit nur ein Beispiel. Will der Grundstücksnachbar zu nahe an die Grundstücksgrenze bauen, muss ihm der andere Grundstücksnachbar grundsätzlich einen Dispens erteilen. Steht der Garten aber nach § 3 Abs. 2 WEG im Alleineigentum, könnte allein dieser Eigentümer über die Grenzunterschreitung bestimmen. Ich selbst halte das nicht für sachgerecht und hoffe, die Praxis findet andere Lösungen. Jedenfalls müsste man den Alleineigentümer für verpflichtet ansehen, sich mit den anderen Wohnungseigentümern abzustimmen.

5 Entscheidung

LG Hamburg, Urteil v. 15.7.2020, 318 S 25/19

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