Leitsatz

Für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann gem. § 57 Abs. 1 ZPO ein Prozesspfleger bestellt werden, wenn die Verwirklichung der klägerischen Rechte sonst ernstlich gefährdet ist.

Normenkette

§ 9b Abs. 1 WEG; § 57 Abs. 1 ZPO

Das Problem

Wohnungseigentümer K klagt gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf eine Ermächtigung zur Einberufung einer Versammlung zur Bestellung eines Verwalters. Ein Verwaltungsbeirat ist nicht bestellt, ein Verwalter auch nicht. In der Wohnungseigentumsanlage gibt es 3 Untergemeinschaften. In der Vergangenheit bestellte jede Untergemeinschaft einen eigenen Verwalter und wurde von diesem separat verwaltet. Fraglich ist, ob der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Prozesspfleger zu bestellen ist.

Die Entscheidung

Das AG bejaht die Frage! Auch wenn die Untergemeinschaften nach der Gemeinschaftsordnung weitestgehend selbstständig sein sollen, gelte dies nur für das Innenverhältnis. Im Außenverhältnis seien die Untergemeinschaften demgegenüber nicht existent, sodass für sie kein eigener Verwalter bestellt werden könne (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021 § 9a Rn. 51). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei daher verwalterlos und werde durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten (§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG). Zu einer Prozessführung seien die Wohnungseigentümer im Fall nicht berechtigt, da sie gem. § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt seien, K aber von einer Mitwirkung der Vertretung auf Beklagtenseite ausgeschlossen sei (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Kap. 18 Rn. 1904). Dies habe zur Folge, dass die Klage unzulässig sei: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei derzeit nicht prozessfähig (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Kap. 3 Rn. 248). Dieser Mangel sei nur durch die Bestellung eines Verwalters oder die Bestellung eines Prozesspflegers gem. § 57 ZPO zu beheben. Soweit die Bestellung eines Prozesspflegers Gefahr im Verzug voraussetze, genüge es, wenn die Verwirklichung der klägerischen Rechte ohne eine Pflegerbestellung ernstlich gefährdet ist. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da das Verfahren die einzige Möglichkeit sei, zu einer Versammlung einzuladen und einen wirksamen Beschluss über die Bestellung eines Verwalters herbeizuführen.

 

Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es zum einen darum, ob es in einer Mehrhausanlage mehrere Verwalter i. S. d. § 26 Abs. 1 WEG geben kann. Zum anderen geht es um die Frage, wer eine verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertritt, wenn diese von einem Wohnungseigentümer verklagt wird.

Mehrhausanlage und Verwalter

In einer Mehrhausanlage kann es immer nur einen Verwalter i. S. v. § 26 Abs. 1 WEG geben. Es gibt auch immer nur eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ein Gemeinschaftsvermögen. Die Wohnungseigentümer können auch durch eine Vereinbarung nichts anderes bestimmen.

Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer

Die WEG-Reform hat für die Wohnungseigentümergemeinschaften, bei denen kein Verwalter bestellt ist, nichts Besonderes angeordnet. Das WEG bestimmt weder, wie die Geschäftsführung, etwa eine Beschlussdurchführung oder die Einberufung einer Versammlung, bei einer Gesamtvertretung funktionieren soll, noch zeigt es auf, wie man eine Gesamtvertretung nach außen organisiert. Es schweigt sich ferner dazu aus, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die nicht von allen Wohnungseigentümern vertreten werden kann, überhaupt prozessfähig ist.

Verwalterlose Gemeinschaft: Überblick

  • Geschäftsführung: Wer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Geschäfte in einer verwalterlosen Gemeinschaft führt, ist unklar. Blickt man auf die Aufstellung eines Wirtschaftsplans oder einer Jahresabrechnung, wird man dies kaum den Wohnungseigentümern abverlangen können und erlauben müssen, dass diese einen Dritten beauftragen. Was ist aber mit der Beschlussdurchführung oder der Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen? Nur für die Versammlung kann § 24 Abs. 3 WEG etwas helfen, nämlich das Recht, beim Fehlen eines Verwalters die Versammlung durch den Verwaltungsbeirat oder einen dazu ermächtigten Wohnungseigentümer einzuberufen.
  • Vertretung: Die Vertretung bestimmt sich nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG. Es handelt sich um eine Gesamtvertretung. Daher ist fraglich, was gilt, wenn einer der Gesamtvertreter verhindert ist. Die Wohnungseigentümer haben keine Beschlusskompetenz, einen Wohnungseigentümer zur Alleinvertretung zu ermächtigen. Allerdings kann jeder Wohnungseigentümer sich individuell erklären.

Gibt es nur 2 Wohnungseigentümer, so liegt es nahe, dass der eine Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber dem anderen Wohnungseigentümer vertreten kann und dafür im Innenverhältnis keines Beschlusses bedarf. Was soll aber in einer zerstrittenen Gemeinschaft mit beispielsweise 20 Wohnungseigentümern gelten, die partout keinen Verwalter wollen oder diesen jedenfalls nicht bezahlen wollen? Das AG meint, dann müsse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Pfl...

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