Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen einem Verbraucher gleichzustellen, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient.

 

Normenkette

§§ 13, 14 BGB; § 10 Abs. 6 WEG

 

Das Problem

Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern schließt mit einem Gasversorger einen Gaslieferungsvertrag, der eine formularmäßige Preisanpassungsklausel (Spannungsklausel) enthält, nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten ausschließlich in Abhängigkeit von der Preisentwicklung für Heizöl ändert. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Klausel unwirksam ist. Für die Lösung dieser Frage kommt es unter anderem darauf an, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Verbraucher ist.

§ 13 BGB (Verbraucher)
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
 

Die Entscheidung

Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB anzusehen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr "zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen" regelmäßig einem Verbraucher gleichzustellen, nämlich immer dann, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehöre und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließe, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit diene. Entscheidend für diese Einordnung sei, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht dadurch verliere, dass sie – durch den Erwerb von Wohnungseigentum kraft Gesetzes (zwingend) – Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer werde. Hinzu komme, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der Regel zum Zweck der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken handle. Dies gelte auch dann, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei Vertragsschluss durch eine "gewerbliche Hausverwaltung" vertreten werde. Denn für die Abgrenzung von unternehmerischem und privatem Handeln i.S.d. §§ 13, 14 BGB komme es im Fall einer Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an.

 

Kommentar

Anmerkung
  1. Die Frage, wann und ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verbraucher anzusehen ist, war bislang in Rechtsprechung und Schrifttum streitig. Das erste mit der Frage befasste Gericht war das LG Rostock v. 16.2.2007, 4 O 322/06, NZM 2007 S. 370. In der Sache ging es um die Kündigung eines Mietvertrags (Telenotruf-Service). Vertragspartner sollte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sein. Die kündigende Gemeinschaft berief sich darauf, Verbraucher zu sein. Das sah das Gericht anders. Wohnungseigentümergemeinschaften seien keine Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Nachdem der Bundesgerichtshof Wohnungseigentümergemeinschaften für rechtsfähig erklärt habe, unterfielen sie bereits dem Wortlaut nach nicht der Vorschrift des § 13 BGB, der den Verbraucherstatus an natürliche Personen knüpfe. Eine analoge Anwendung der materiellen Verbraucherschutznormen sei nicht eröffnet und führte zu einer unzulässigen Rechtsfortbildung contra legem. Anderer Ansicht war das LG Nürnberg-Fürth v. 23.6.2008, 14 T 1462/08, ZMR 2008 S. 831. Eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangte dort vom ehemaligen Verwalter unter anderem 5.923 EUR wegen Pflichtverletzungen gegen den Verwaltervertrag. Das Amtsgericht Nürnberg hatte die Klage – soweit die Parteien sie nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten – abgewiesen. Zwar habe der Verwalter schuldhaft den Verwaltervertrag verletzt. Eine Haftung sei jedoch aufgrund einer haftungsbeschränkenden Regelung des Verwaltervertrags ausgeschlossen ("Die Gesamthaftung des Verwalters ist auf ein Jahr nach Ablauf des Wirtschaftsjahres und auf 2 Jahresvergütungen begrenzt"). Die Klausel sei wirksam: Es handle sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen, da die Klausel nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurde. § 310 Abs. 3 BGB greife nicht ein, da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kein Verbraucher im Sinne der Vorschrift sei. Dem trat das Landgericht Nürnberg-Fürth – wie bereits erwähnt – entgegen. Maßgeblicher Gesichtspunkt sei die Prüfung der Schutzwürdigkeit der Beteiligten. Es sei darauf abzustellen, ob die Mitglieder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in "eben dieser Funktion" eine selbstständige bzw. gewerbliche Tätigkeit ausübten. Diese entspreche der Sichtweise, wie sie der BGH zur Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) zum Ausdruck gebracht habe. Dieser Sichtweise trat das OLG München als im F...

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