Bei den nichtstofflichen Einwirkungen handelt es sich um die in § 906 Abs. 1 BGB genannten physikalischen Vorgänge, also die grenzüberschreitende Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Einwirkungen.

Die ähnlichen Einwirkungen sind mit den ausdrücklich genannten Beispielen dann vergleichbar, wenn sie unwägbar sowie sinnlich wahrnehmbar sind und auf natürlichem Weg etwa über die Luft (Geräusche, Gerüche) oder den Boden (Erschütterungen) zugeleitet werden. Nach der Rechtsprechung zählen dazu auch Insekten oder Kleinsttiere (etwa Bienen und Tauben), weil deren Fernhaltung ebenso wie bei den in § 906 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten Einwirkungen tatsächlich nicht durchführbar ist.

Zur Wesentlichkeit der Einwirkungen

Nichtstoffliche Einwirkungen als solche, die von einer benachbarten Anlage ausgehen, sind nicht schon deshalb abwehrbar, weil sie etwa mit der Nase oder dem Ohr sinnlich wahrnehmbar sind. Sie sind es vielmehr erst dann, wenn sie "wesentlich" im Sinn des § 906 BGB sind.

Die Frage nach der Wesentlichkeit ist einerseits eine ganz entscheidende Fragestellung, weil nicht jede "vermeintliche" Belästigung untersagt werden kann, sondern nur eine solche, die als wesentlich zu qualifizieren ist. Zum anderen handelt es sich um eine äußerst schwierige Fragestellung, weil der Begriff der Wesentlichkeit keine festen Konturen besitzt und einen weiten Auslegungsspielraum zulässt: Was der eine für wesentlich hält, kann für den anderen, der das Leben leicht nimmt, durchaus unwesentlich sein.

Grenz- und Richtwerte

Wegen dieser Problematik hat der Gesetzgeber im Jahr 1994 eine Konkretisierung dieses Begriffs in § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB dahingehend vorgenommen, dass "eine (nur) unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel (dann) vorliegt, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 BImschG erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben".

Mit dieser Gesetzesergänzung hat der Gesetzgeber eine Brücke vom Zivilrecht zum öffentlichen Immissionsschutzrecht geschlagen, in dem es langer Tradition entspricht, den dortigen Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. 1 BImschG (= wesentliche Beeinträchtigung nach § 906 BGB) durch Regelwerke wie die TA Lärm oder die TA Luft zu konkretisieren. In diesen Regelwerken wird die Wesentlichkeits- bzw. Schädlichkeitsschwelle durch sog. Richt- oder Grenzwerte für den Regelfall markiert. Diese Regelwerke gelten zwar unmittelbar nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen. Die Rechtsprechung wendet sie entsprechend aber auch auf Anlagen an, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht bedürfen und beispielsweise nur mit einer Baugenehmigung oder auch ohne eine solche auskommen.

Durch § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB wird einerseits zum Ausdruck gebracht, dass das, was als "schädliche Umwelteinwirkung" nach öffentlichem Recht zu qualifizieren ist, sich zugleich als "wesentliche Einwirkung" nach Zivilrecht darstellt. Zum anderen wird verdeutlicht, dass das private Nachbarrecht gegen schädliche Umwelteinwirkungen etwa durch Lärm oder Gerüche keinen weitergehenden Schutz vermittelt als das öffentliche Nachbarrecht des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.

Diese Maßgaben gelten aber nicht für die vielen VDI-Richtlinien des Vereins deutscher Ingenieure. Diese Richtlinien werden aber von den Gerichten als sog. antizipierte Sachverständigengutachten bei ihren Entscheidungen genutzt.

Die Objektivierung der Einwirkungsintensität

Neben der Berücksichtigung von Grenz- und Richtwerten zur Konkretisierung der "Wesentlichkeit" von Einwirkungen ist auf Seiten des von den Einwirkungen betroffenen Nachbarn noch eine Objektivierung vonnöten, um nicht die Überempfindlichkeit gegenüber Störungen zum Maß aller Dinge zu machen. Als Maßstab hierfür verwendet die Rechtsprechung seit der sog. "Frösche-Entscheidung" des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1992[1] den sog. "verständigen Durchschnittsmenschen".

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine störende Einwirkung wesentlich ist oder nicht, ist danach nicht die subjektive Empfindlichkeit des Gestörten maßgebend, sondern die Bewertung durch den verständigen Durchschnittsmenschen entscheidend, der – anders als der normale Durchschnittsmensch -, auch Allgemeininteressen (etwa zum Schutz der Umwelt) und gesetzliche Wertungen (etwa in Form der Festsetzung von Richt- und Grenzwerten) berücksichtigt. Daraus folgt, dass der verständige Durchschnittsmensch eine umfassende Abwägung sämtlicher privater und öffentlicher Belange im Rahmen der konkreten Gegebenheiten vornehmen muss.

 
Praxis-Beispiel

Kinderlärm

Diese Abwägung ergibt nach der Rechtsprechung etwa beim Lärm spielender Kinder, dass im Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung ...

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