Nach alledem sind unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH alle Einwirkungen abwehrfähig, die als unzulässige Eigentumsstörungen durch Zuführung grenzüberschreitender sinnlich wahrnehmbarer Stoffe zu werten sind.[1] Dabei bemisst sich das Maß dessen, was der Eigentümer an Einwirkungen abwehren kann oder ausnahmsweise zu dulden hat, nach § 906 BGB.

§ 906 BGB lautet in dem hier interessierenden Zusammenhang wie folgt:"Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Erschütterungen, Gerüchen, Geräuschen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verhindern, als die Einwirkung die Benutzung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Das gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind."

[1] So BGH, Urteil v. 21.2.1980, III ZR 185/78, NJW 1980, 2580.

2.2.2.1 Stoffliche (körperliche) Einwirkungen

Stoffliche Einwirkungen einer Anlage auf dem Nachbargrundstück, wie etwa Steinbrocken von Sprengungen eines benachbarten Steinbruchs oder Erd- und Sandmassen, die von einer benachbarten Deponie abgeschwemmt und über die Grundstücksgrenze verfrachtet werden, sind in jedem Fall unzulässige Eigentumsstörungen und damit abwehrfähige unzulässige Einwirkungen im Sinn des § 907 BGB. Denn gegenüber sog. Grobimmissionen kennt das Gesetz keine Duldungspflicht.

Den sog. Grobimmissionen gleichgesetzt werden von der Rechtsprechung größere Tiere, wie Hunde, Hühner oder Schafe, die als Eindringlinge nicht geduldet werden müssen.

2.2.2.2 Nichtstoffliche (körperlose) Einwirkungen

Bei den nichtstofflichen Einwirkungen handelt es sich um die in § 906 Abs. 1 BGB genannten physikalischen Vorgänge, also die grenzüberschreitende Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Einwirkungen.

Die ähnlichen Einwirkungen sind mit den ausdrücklich genannten Beispielen dann vergleichbar, wenn sie unwägbar sowie sinnlich wahrnehmbar sind und auf natürlichem Weg etwa über die Luft (Geräusche, Gerüche) oder den Boden (Erschütterungen) zugeleitet werden. Nach der Rechtsprechung zählen dazu auch Insekten oder Kleinsttiere (etwa Bienen und Tauben), weil deren Fernhaltung ebenso wie bei den in § 906 Abs. 1 BGB ausdrücklich genannten Einwirkungen tatsächlich nicht durchführbar ist.

Zur Wesentlichkeit der Einwirkungen

Nichtstoffliche Einwirkungen als solche, die von einer benachbarten Anlage ausgehen, sind nicht schon deshalb abwehrbar, weil sie etwa mit der Nase oder dem Ohr sinnlich wahrnehmbar sind. Sie sind es vielmehr erst dann, wenn sie "wesentlich" im Sinn des § 906 BGB sind.

Die Frage nach der Wesentlichkeit ist einerseits eine ganz entscheidende Fragestellung, weil nicht jede "vermeintliche" Belästigung untersagt werden kann, sondern nur eine solche, die als wesentlich zu qualifizieren ist. Zum anderen handelt es sich um eine äußerst schwierige Fragestellung, weil der Begriff der Wesentlichkeit keine festen Konturen besitzt und einen weiten Auslegungsspielraum zulässt: Was der eine für wesentlich hält, kann für den anderen, der das Leben leicht nimmt, durchaus unwesentlich sein.

Grenz- und Richtwerte

Wegen dieser Problematik hat der Gesetzgeber im Jahr 1994 eine Konkretisierung dieses Begriffs in § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB dahingehend vorgenommen, dass "eine (nur) unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel (dann) vorliegt, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 BImschG erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben".

Mit dieser Gesetzesergänzung hat der Gesetzgeber eine Brücke vom Zivilrecht zum öffentlichen Immissionsschutzrecht geschlagen, in dem es langer Tradition entspricht, den dortigen Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 3 Abs. 1 BImschG (= wesentliche Beeinträchtigung nach § 906 BGB) durch Regelwerke wie die TA Lärm oder die TA Luft zu konkretisieren. In diesen Regelwerken wird die Wesentlichkeits- bzw. Schädlichkeitsschwelle durch sog. Richt- oder Grenzwerte für den Regelfall markiert. Diese Regelwerke gelten zwar unmittelbar nur für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen. Die Rechtsprechung wendet sie entsprechend aber auch auf Anlagen an, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht bedürfen und beispielsweise nur mit einer Baugenehmigung oder auch ohne eine solche auskommen.

Durch § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB wird einerseits zum Ausdruck gebracht, dass das, was als "schädliche Umwelteinwirkung" nach öffentlichem Recht zu qualifizieren ist, sich zugleich als "wesentliche Einwirkung" nach Zivilrecht darstellt. Zum anderen wird verdeutlicht, dass das private Nachbarrecht gegen schädliche Umwelteinwirkungen etwa durch Lärm oder Gerüche keinen weitergehenden Schut...

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