Leitsatz

Eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Gebrauchsregelung zur "Gestattung jeglicher Nutzung" eines laut Teilungserklärung zweckbestimmten "Restaurant"-Teileigentums erlaubt auch die Nutzung dieser Einheit als verpachtete "Disko-Gaststätte"

 

Normenkette

§ 15 Abs. 3 WEG; § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB

 

Kommentar

  1. Zwischen dem Teileigentümer einer im Erdgeschoss liegenden und verpachteten Disko-Gaststätte und Eigentümern in darüberliegenden Wohnungen bestand seit vielen Jahren Streit wegen des von der Disko ausgehenden Lärms.

    Im förmlichen (sachenrechtlichen) Teil der Teilungserklärung (im "engeren Sinne" laut früherer Rechtsprechung des BayObLG) war das Teileigentum als "Restaurant" unter Bezugnahme auf den Aufteilungsplan bezeichnet. In der das Gemeinschaftsverhältnis regelnden Gemeinschaftsordnung war überdies vereinbart, dass "alle Einheiten" (auch Teileigentum) zu jeder beruflichen Tätigkeit, gleich welcher Art, auch durch Dritte nutzbar seien.

  2. Wohnungseigentümer können den Gebrauch des Sondereigentums gem. § 15 Abs. 1 WEG durch Vereinbarung regeln; dabei stehen Regelungen in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung einer Vereinbarung gleich (vgl. §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 5Abs. 4 WEG). Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung werden hier unmittelbar oder durch zulässige Bezugnahme im Eintragungsvermerk Inhalt des Grundbuchs (vgl. §§ 8 Abs. 2 Satz 1, 7Abs. 1 und 3 WEG). Den Inhalt des Grundbuchs kann das Rechtsbeschwerdegericht ohne Bindung an die Auslegung durch das Landgericht selbstständig nach Wortlaut und Sinn der Eintragung sowie der darin in zulässiger Weise in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung samt Anlagen – etwa dem Aufteilungsplan – auslegen, und zwar wie sich die Regelung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt (§ 133 BGB,BayObLG, DNotZ 2000, 205).

    In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist hier die in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Gebrauchsregelung vorrangig vor dem sachenrechtlichen Beschrieb der einzelnen Einheiten zu berücksichtigen und gestattet jegliche gewerbliche Tätigkeit, deshalb auch den Betrieb einer Disko-Gaststätte. Die sachenrechtliche Teilung betrifft in erster Linie die Abgrenzung von Sondereigentum zum Gemeinschaftseigentum unter Hinweis auf den Aufteilungsplan. Die Passage in der Gemeinschaftsordnung zum Gemeinschaftsverhältnis regelt demgegenüber "Art und Umfang des Gebrauchs von Sondereigentum". Auch im vorliegenden Fall spricht eine allgemeine Vermutung dafür, dass Gebrauchsregelungen in der Gemeinschaftsordnung enthalten sind und Funktionsbezeichnungen für Räume im förmlichen Beschrieb der Teilungserklärung eher der Abgrenzung von Teileigentum zum Wohnungseigentum als einer Festlegung des Verwendungszwecks dienen (vgl. bereits BayObLG, DNotZ 1989, 426). Das Teileigentum Gaststätte wurde vorliegend auch ausdrücklich in die spezielleren Gebrauchsregelungen miteinbezogen, sodass auch der Betrieb einer Diskothek sicher mit höherer Lärmbeeinträchtigung als eine Gaststätte vorliegend grds. erlaubt ist. Übermäßige Beeinträchtigungen durch Lärm können hier nur durch einen entsprechenden Unterlassungsantrag verfolgt werden, führen allerdings nicht ohne Weiteres zu einem Verbot eines grds. gestatteten Diskobetriebs. Dies gilt i.Ü. für alle Verfahren auf Unterlassung unzulässigen Lärms.

  3. Einem Gegenantrag fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn er das direkte Gegenteil zu einem geltend gemachten Unterlassungsantrag darstellt. Als Prozessvoraussetzung muss ein Feststellungsinteresse grds. auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (in II. Instanz) vorliegen.
 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 21.12.2007, 2 W 202/07

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