Leitsatz

Wird durch eine Störung ein neuer Unterlassungsanspruch ausgelöst, ist für den Beginn der für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Zeitspanne in der Regel auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abzustellen.

Eine Verwirkung eines Rechts kommt nur in Betracht, wenn sich der Verpflichtete aufgrund eines Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht wird. Die bloße Untätigkeit des Berechtigten über einen längeren Zeitraum hinweg ist nicht ausreichend.

 

Normenkette

BGB § 242; WEG § 15 Abs. 3

 

Das Problem

  1. B betreibt seit dem Jahr 1986 in seinem Teileigentum eine Gaststätte – was nach der Gemeinschaftsordnung unzulässig ist (zulässig ist nur der Gebrauch des Teileigentums als Laden, Praxis und Büro). Seit dem Jahr 2014 nutzt B ferner eine mit einem Zelt umgrenzte Außenterrasse, die auf städtischem Grund liegt und etwa 50 Plätze aufweist. Im Juli 2015 beschließen die Wohnungseigentümer vor diesem Hintergrund, Rechtsanwälte mit der – gegebenenfalls gerichtlichen – Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung dieses Gebrauchs zu beauftragen. Die entsprechende Klage wird auch erhoben.
  2. Das Amtsgericht gibt der Unterlassungsklage statt, das Landgericht weist sie auf die Berufung des B hingegen ab. Das Berufungsgericht meint, es liege zwar eine zweckwidrige Nutzung des Teileigentums durch B vor. Nach der Gemeinschaftsordnung dürfe das Sondereigentum der Teileigentümer nur als Laden, Praxis und Büro gebraucht werden. Ein Laden diene schwerpunktmäßig dem Verkauf von Waren und sei an Öffnungszeiten gebunden. Bei einer Gaststätte stehe der Charakter einer bloßen Verkaufsstätte aber nicht im Vordergrund. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass bei typisierender Betrachtungsweise die nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als Gastronomiebetrieb nicht mehr störe als die vorgesehene Nutzung. Der damit bestehende Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG sei aber verwirkt. In Bezug auf das Zeitmoment sei nämlich darauf abzustellen, dass B nach dem Erwerb des Teileigentums im Jahr 2004 den Gastronomiebetrieb aufgenommen und diesen bis zum Juni 2015 über einen Zeitraum von 11 Jahren fortgeführt habe. Die Erweiterung im Außenbereich im Jahr 2014 habe keinen neuen Anspruch ausgelöst, weil hierfür öffentlicher Grund in Anspruch genommen worden sei. Für das Umstandsmoment sei entscheidend, dass die Wohnungseigentümer seit dem Jahr 2004 den Betrieb der Gaststätte ohne Beanstandungen hingenommen hätten. Die weitere Duldung des Gastronomiebetriebs – auch nach seiner Erweiterung im Außenbereich – sei ein ausreichender Umstand, aufgrund dessen B davon habe ausgehen können, es würden keine Unterlassungsansprüche mehr geltend gemacht.
  3. Mit der Revision will die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Da den Wohnungseigentümern der von K geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Nutzung der Teileigentumseinheit als Gaststätte zustehe, sei B's Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückzuweisen.

Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs

Rechtsfehlerfrei gehe das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs, der seine Grundlage sowohl in § 1004 Abs. 1 BGB als auch in § 15 Abs. 3 WEG finde, vorlägen und dieser von K geltend gemacht werden könne. Für Unterlassungsansprüche aus dem Miteigentum am Grundstück bestehe zwar keine geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG. Durch den Beschluss vom Juli 2015 zur gerichtlichen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gegen B sei aber eine gekorene Ausübungsbefugnis gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG für die individuellen Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer begründet worden.

Unzulässiger Gebrauch

Auch gehe das Berufungsgericht zutreffend von einem zweckwidrigen Gebrauch des Sondereigentums des Teileigentums durch B und einem daraus folgenden Unterlassungsanspruch aus.

  1. Gemäß § 15 Abs. 3 WEG könne jeder Wohnungseigentümer einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Würden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liege hierin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB sei. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen nehme das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler an.
  2. Maßgebend für den zulässigen Gebrauch sei allein die in § 3 Nr. 2 in Verbindung mit der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Vereinbarung, wonach das Sondereigentum eines Teileigentums als Laden, Büro und Praxis genutzt werden könne. Die Regelungen in der Gemeinschaftsordnung schlössen einen Gebrauch des Teileigentums als Gaststätte also aus.
  3. Unter einem Ladenraum würden nämlich Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten...

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