Leitsatz

  1. Verfügt eine Gemeinschaft nur über einen Gas-Hausanschluss mit entsprechender Entnahme durch Eigentümer, kommt der Versorgungsvertrag i.d.R. mit der Gemeinschaft zustande
  2. Auch in einer Zweipersonen-Wohnungseigentümergemeinschaft besteht dann gegenüber dem Versorgungsunternehmen anteilige Eigentümerzahlungspflicht nach § 10 Abs. 8 WEG
  3. Ein Vertragsverhältnis des Versorgers kann auch mit der Wohnungseigentümergemeinschaft durch "sozialtypisches Verhalten" im Rahmen einer erfolgten Realofferte zustande kommen
 

Normenkette

§ 10 Abs. 8 WEG; §§ 133, 157 BGB

 

Kommentar

  1. Ein ehemaliger Grundstücks-Alleineigentümer hatte nach § 8 WEG Wohnungseigentum begründet. In der Zweipersonen-Gemeinschaft erhielt er etwa zwei Drittel der Miteigentumsanteile, der weitere Eigentümer ein Drittel. Den bestehenden Strom- und Gasversorgungsvertrag kündigte der Mehrheitseigentümer in Bezug auf das seiner Meinung nach allein auf ihn laufende Versorgungsvertragsverhältnis. Der klagende Energieversorger stellte daraufhin unterschiedliche Rechnungen an beide Eigentümer für die Lieferung von Allgemeinstrom und Gas – entsprechend anteilig aufgeteilt. Als Abnahmestelle im Anwesen existierte nur ein Gasanschluss und auch nur ein Gaszähler für die Versorgung des gesamten Anwesens.

    Die Berufungsinstanz bestätigte in Übereinstimmung mit der Vorinstanz die anteiligen Zahlungspflichten beider Eigentümer.

  2. Der Versorgungsvertrag ist vorliegend zwischen dem klagenden Versorgungsträger und der Wohnungseigentümergemeinschaft zustande gekommen. Für die daraus resultierenden Verpflichtungen haftet auch der beklagte Mehrheitseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG anteilig. Dabei ist es unbeachtlich, welcher einzelne Eigentümer Versorgungsleistungen tatsächlich in Anspruch genommen hat; dahingestellt bleiben kann auch, ob der Mehrheitseigentümer im Rechnungszeitraum überhaupt selbst Gas verbrauchte. Bei dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens handelt es sich um eine sog. Realofferte, die von demjenigen angenommen wird, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz ist etwa auch in § 2 Abs. 2 der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) niedergelegt; dieser Grundsatz soll vermeiden, dass ein vertragsloser Zustand entsteht (vgl. BGH, Urteil v. 17.3.2004, NJW-RR 2004 S. 928/929). Ein solches Angebot richtet sich dabei typischerweise an den Grundstückseigentümer, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versorgung zusteht. Das Verteilernetz des Energieversorgers endet auch üblicherweise am Hausanschluss des Grundstücks, über den regelmäßig der Eigentümer verfügt. Wer tatsächlich Energie entnimmt und wem eine solche Willenserklärung zuzurechnen ist, ist nicht entscheidend; letztlich kommt es nicht auf die Eigentümerstellung als solche, sondern auf die dadurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss an (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 29.9.2011, 12 U 112/11).
  3. Hat eine Gemeinschaft nur einen Hausanschluss, kommt der Vertrag mit der Wohnungseigentümergemeinschaft zustande, ohne dass es darauf ankommt, welcher einzelne Eigentümer tatsächlich Versorgungsleistungen in Anspruch genommen hat. Dies betrifft lediglich die Haftungsverteilung im Innenverhältnis der Eigentümer, ändert aber nichts am Vertrag mit der Gemeinschaft.
  4. Vorliegend war das Angebot des Versorgungsunternehmens auch als "an die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet"auszulegen. Die Gaslieferung geht damit an die Gesamtheit der Eigentümer als entsprechender Personenkreis, der auch als Vertragspartner beliefert werden sollte (vgl. BGH, Urteil v. 7.3.2007, NJW 2007 S. 2987/2988). Ein entsprechendes Angebot ist nämlich nach §§ 133, 157 BGB dergestalt auszulegen, wie in Betracht kommende Adressaten das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durften; dabei ist auch der vom anbietenden Unternehmer verfolgte Zweck und deren Interessenlage in die Auslegung mit einzubeziehen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil v. 5.11.1993, NJW-RR 1994 S. 436).

    Das Angebot war als an die Gemeinschaft gerichtet anzusehen und entsprach den Interessen sämtlicher Eigentümer. Die genauen Eigentumsverhältnisse sind hier einem klagenden Unternehmen im Regelfall auch unbekannt, ebenso interne Kostenverteilungsgrundsätze. Jedenfalls vorliegend wurde der Vertrag auch nicht ausnahmsweise mit nur einem Wohnungseigentümer geschlossen.

  5. Wünscht nun ein Mehrheitseigentümer im Rahmen einer Kündigung Abstellen des Gasanschlusses, setzt sich ein solcher Eigentümer in Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten und hat daher auch die Geltendmachung einer anderweitigen Auslegung verwirkt (vgl. insoweit auch OLG Saarbrücken, Urteil v. 5.11.1993, NJW-RR 1994 S. 436/437).

    Beide Eigentümer können im Innenverhältnis durchaus eine Regelung über die Benutzung des Gasanschlusses und entsprechende Kostentragung treffen. Allerdings hat bisher der Mehrheitseigentümer Versorgungsleistungen auf dem Grundstück zugelassen, sodass sein Verhalten ...

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