Rz. 166

Die Erbengemeinschaft (indivision) wurde im Jahre 1976 erstmals gesetzlich geregelt. Es handelt sich dabei weder um eine Gesamthandsgemeinschaft, noch ist sie mit der Bruchteilsgemeinschaft des deutschen Rechts vergleichbar. Deshalb wird in der deutschen Literatur zutreffend auch von einer "Gemeinschaft eigener Art" gesprochen.[124]

 

Rz. 167

Es gibt zwei Arten von ungeteilten Erbengemeinschaften, nämlich die gesetzliche (régime légal ou primaire) gem. Art. 815 ff. C.C., die nur subsidiär bei Fehlen abweichender Vereinbarungen gilt, und die vertragliche (régime conventionnel ou secondaire) Erbengemeinschaft gem. Art. 815–1, 1873–1 ff. C.C.

 

Rz. 168

Von Bedeutung ist diese Unterscheidung zunächst für die Zusammensetzung der Erbengemeinschaft. Bei Vorhandensein von Nießbrauchsberechtigten, vor allem dem überlebenden Ehegatten, kommt es nach der gesetzlichen Regelung zu mehreren Erbengemeinschaften. Die eine, die indivision en usufruit gem. Art. 815–18 Abs. 1 C.C., wird von den Nießbrauchsberechtigten, die andere, die sog. indivision en nue-propriété, von den Erben ohne Nutzungsrechte gebildet. Erben, deren Erbteile nicht mit einem Nießbrauch belastet sind, gehören beiden Gemeinschaften an. Diese Verschränkung mehrerer indivisions führt in der Praxis zwangsläufig zu erheblichen, in Art. 817–819 C.C. teilweise geregelten Schwierigkeiten vor allem im Hinblick auf die Auseinandersetzung.[125] Vertraglich können deshalb gem. Art. 1873–16 C.C. alle Erben in einer indivision zusammengefasst werden.

 

Rz. 169

Weiterhin spielt die Unterscheidung zwischen gesetzlicher und vertraglicher indivision eine Rolle für die Verwaltung der indivision. Während beim régime légal grundsätzlich gem. Art. 815–3 Nr. 1–4 C.C. für bestimmte Verwaltungs- und Verfügungsgeschäfte (Verwaltung des Nachlasses, Erteilung von Verwaltungsvollmachten an Mitglieder oder Dritte nach Art. 813 C.C., Verkauf von beweglichen Gütern zur Schuldentilgung, Vermietung von nichtgewerblichen Immobilien) eine Mehrheit von zwei Drittel verlangt wird, kann hiervon beim régime conventionnel durch Vereinbarung unter den Miterben abgewichen und z.B. ein Geschäftsführer gem. Art. 1873–5 ff. C.C. mit umfassenden Befugnissen bestellt werden. Beim régime légal kann ein Miterbe alleine nach Art. 815–2 C.C. nur notwendige Erhaltungsmaßnahmen vornehmen, für Maßnahmen, die über die in Art. 815–3 Nr. 1–4 C.C. aufgezählten Angelegenheiten hinausgehen, ist nach Art. 815–3 Abs. 3 C.C. Einstimmigkeit erforderlich. Bei Erbenmehrheit trifft die Miterben – anders als im deutschen Recht – keine gesamtschuldnerische, sondern gem. Art. 870 C.C. nur eine ihrer Erbquote entsprechende teilschuldnerische Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings haben die Gläubiger gem. Art. 815–17 Abs. 1 C.C. vor der Auseinandersetzung ohne Einschränkung Zugriff auf die ungeteilte Erbmasse.

[124] Exner, Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im deutschen und im französischen Recht, S. 5; Ferid/Sonnenberger, Bd. 3 Rn 5 D 140.
[125] Voirin/Goubeaux, Bd. 2 Rn 512; siehe auch Sipp-Mercier, Die Abwicklung deutsch-französischer Erbfälle in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, S. 32.

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