Die Rechtsnachfolge wurde weder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen, noch ist sie offenkundig.

LG betont Schutzzweck der Nachweisanforderungen

Die Vorschrift des § 727 Abs. 1 ZPO dient sowohl dem Schutz des bisherigen Gläubigers, dem der Titel nur bei Nachweis der Rechtsnachfolge entzogen werden kann, als auch dem Schutz des Schuldners, der nicht ohne Weiteres von einem Dritten mit der Vollstreckung aus dem Titel überzogen werden soll. Insgesamt stellt das Gesetz hohe Anforderungen an die Voraussetzungen. Sinn und Zweck des § 727 ZPO ist, dass im Falle einer unzweifelhaften Rechtsnachfolge dem (neuen) Gläubiger die Vollstreckung aus einem vorliegenden Titel aus prozessökonomischen Gründen auf einfachem Wege ermöglicht werden soll. Nachdem aber das Vollstreckungsgericht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Rechtsnachfolge im Rahmen des § 727 ZPO nicht prüfen kann und soll, kommt die Möglichkeit der Titelumschreibung nur in den Fällen in Betracht, in denen ohne eine solche materiell-rechtliche Prüfung die Rechtsnachfolge sicher nachgewiesen worden ist. An diesen Nachweis stellt das Gesetz hohe Anforderungen, indem es einen Nachweis durch öffentliche bzw. öffentlich beglaubigte Urkunden verlangt.

Auszug aus dem Bundesanzeiger ist keine öffentliche Urkunde

Die Gläubigerin hat keine öffentlich beglaubigten Urkunden vorgelegt, sondern nur amtliche Beglaubigungen verschiedener öffentlicher Urkunden. Aus den Schreiben ergibt sich nicht unmittelbar, ob und wann die Fusion tatsächlich stattfand. Das Schreiben des … enthält die Genehmigung der Fusion und das Datum, ab wann die Genehmigung wirkt. Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 SGB X wurden nicht eingehalten. Hinzu kommt, dass sich aus der öffentlichen Urkunde selbst ergeben muss, dass eine Rechtsnachfolge eingetreten ist. Es kann nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans sein, die Wirksamkeit der Fusion zu überprüfen. Die Wirksamkeit der Errichtungsgenehmigung (als des eigentlichen rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes) tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem sie dem Adressaten oder dem Betroffenen bekanntgegeben wird. Zu den Aufgaben des Vollstreckungsgerichtes gehört es auch nicht zu überprüfen, ob und ggf. welche Rechtsmittel gegen die Genehmigungsentscheidung gegeben sind.

Bundesanzeiger führt auch nicht zur Offenkundigkeit

Die wirksame Fusion ist auch nicht offenkundig. Grundsätzlich lässt § 727 ZPO zwar auch genügen, dass die "Rechtsnachfolge oder das Besitzverhältnis bei dem Gericht offenkundig" ist. "Offenkundig" im Sinn von § 291 ZPO ist ein Sachverhalt nämlich nur dann, wenn er allgemeinkundig oder gerichtskundig ist.

Gerichtskundig sind wiederum Tatsachen, die das erkennende Gericht selbst amtlich wahrgenommen hat. Die Kammer verfügt über keine amtlichen Erkenntnisse (und sei es aus anderen Verfahren), dass eine Rechtsnachfolge vorliegt.
Offenkundig im Sinne von § 291 ZPO sind nur solche Tatsachen, die einer beliebig großen Zahl von Menschen bekannt oder für diese ohne Weiteres zuverlässig wahrnehmbar sind (sogenannte allgemeinkundige Tatsachen) (OLG Schleswig, 20.12.1990, 5 U 89/89). Allgemein geläufig und deshalb offenkundig im Sinne des § 291 ZPO können Tatsachen sein, die bei der Prüfung der relevanten Umstände des Streitfalls heranzuziehen sind (BGH, 17.8.2011, 1 ZR 108/09).

Ganz klar: Das Gericht ist kein Dienstleister!

Die Gläubigerin verkennt zum einen, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist, sich durch Internetrecherchen das Wissen zu beschaffen, das die Gläubigerin nicht zu liefern bereit ist. Internetrecherchen mögen statthaft sein; eine Verpflichtung des Gerichtes hierzu besteht nicht. Sie verkennt weiter, dass auch bei einer Vielzahl von Vorgängen, bei einem, wie es die Gläubigerin nennt, Massengeschäft, die Gesetze einzuhalten sind und eine Vielzahl von Vorgängen nicht zu einer Privilegierung von "Großkunden" bei den Gerichten führt, sondern vor dem Gesetz jeder Beteiligte gleich zu behandeln ist. Gerade bei Massengeschäften muss es der Beschwerdeführerin ein Leichtes sein, die Rechtsnachfolge einmal im Rahmen des § 727 ZPO zu belegen und dann die erforderlichen öffentlichen Urkunden zum Nachweis zu erstellen und vorzulegen.

Offenkundig: Bundesgesetzblatt und Grundbuch

Offenkundige Umstände können sich insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt oder aus dem Grundbuch ergeben (BGHZ 22, 54, 58; BGH WM 1981, 189). Dies gilt auch für eine Vollstreckungsklausel, bei der sich der geschuldete Betrag aus der Anwendung einer Wertsicherungsklausel ergibt, die auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten abstellt. Sie sind damit offenkundig im Sinne von § 291 ZPO (vgl. BGH NJW 1992, 2088). Von einer Offenkundigkeit kann hier jedoch nicht ausgegangen werden, da, wie dargelegt, die Tatsachen, die eine rechtliche Prüfung der Rechtsnachfolge ermöglichen (Eintritt der Genehmigung, Einlegen von Rechtsmitteln), sich nicht aus dem Bundesanzeiger ergeben und damit nicht offenkundig sind.

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