Streitfrage in Literatur und Rechtsprechung

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Gläubiger im Verfahren über die Erteilung einer Vermögensauskunft auf die Übersendung des bereits innerhalb der Sperrfrist des § 802d Abs. 1 ZPO abgegebenen Vermögensverzeichnisses verzichten bzw. den Zwangsvollstreckungsauftrag beschränken kann.

Ansicht 1: Keine Dispositionsbefugnis und Zuleitungspflicht

Nach einer Ansicht steht dem Gläubiger eine solche Dispositionsbefugnis nicht zu. Die Übersendung des Vermögensverzeichnisses gemäß § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO sei Teil des als Amtsverfahren ausgestalteten Verfahrens der Eintragungsanordnung nach § 882c ZPO. Mit der Formulierung in § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO, "andernfalls leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu", habe der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Übersendung eines schon vorhandenen Vermögensverzeichnisses die notwendige Folge eines Antrags auf Abgabe der Vermögensauskunft sei und gerade nicht der Disposition des Gläubigers unterliege. Ließe man einen Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung eines abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu, würde eine Folgeeintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 2 oder 3 ZPO nicht erfolgen. Dann würde das Schuldnerverzeichnis seiner Warnfunktion hinsichtlich der Kreditunwürdigkeit der eingetragenen Schuldner nicht ausreichend gerecht. Der Gläubiger könne deshalb seinen Zwangsvollstreckungsauftrag nicht wirksam dahin beschränken, dass eine Zuleitung des schon abgegebenen Vermögensverzeichnisses an ihn nicht erfolgen solle (LG Münster DGVZ 2014, 201; AG Bochum v. 2.5.2013 – 51 M 1177/13; AG Heidelberg DGVZ 2013, 166; AG Mühldorf DGVZ 2013, 193; AG Menden v. 12.7.2013 – 5 M 566/13; AG Wetzlar v. 29.10.2013 – 81 M 2731/13; AG Dortmund DGVZ 2014, 72; AG Elmshorn v. 11.4.2014 – 64 M 17/14 und 64 M 21/14; AG Remscheid v. 17.6.2014 – 3 M 3025/13; Wasserl, DGVZ 2013, 88 ff.; Mroß, DGVZ 2013, 69 und DVGZ 2014, 19; Harnacke/Bungardt, DGVZ 2013, 1, 4 zu Fall 16; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., KVGvKostG Nr. 261 Rn 3; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 35. Aufl., § 802d Rn 3). Aus dieser Ansicht wird überwiegend abgeleitet, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger ungeachtet des nur beschränkten Antrags das schon abgegebene Vermögensverzeichnis zuzuleiten hat.

Ansicht 2: Keine Dispositionsbefugnis und Zurückweisungspflicht

Nach einer Mindermeinung hat der Gerichtsvollzieher in einem solchen Fall die Durchführung des Auftrages abzulehnen; führe er den Auftrag gleichwohl aus, liege eine unrichtige Sachbehandlung vor (AG Peine FoVo 2013, 178; AG Neubrandenburg DGVZ 2014, 131 f.).

Ansicht 3: Dispositionsbefugnis des Gläubigers

Nach anderer Auffassung steht einem Gläubiger aufgrund der im Zwangsvollstreckungsrecht allgemein geltenden Dispositionsmaxime das Recht zu, den Vollstreckungsauftrag für den Fall einzuschränken bzw. zurückzunehmen, dass der Schuldner innerhalb der Sperrfrist bereits die Vermögensauskunft abgegeben hat. Eine Pflicht des Gerichtsvollziehers, auch in diesem Fall dem Gläubiger die schon zuvor von dem Schuldner abgegebene Vermögensauskunft zu übermitteln, bestehe dann nicht (LG Arnsberg DGVZ 2014, 18; LG Essen v. 6.6.2014 – 7 T 142/14; LG Neubrandenburg DGVZ 2014, 218; LG Itzehoe v. 3. und 19.6.2014 – 4 T 129/14 und 4 T 130/14; LG Bochum v. 22.9.2014 – I-7 T 113/14 und I-7 T 115/14; AG Plön v. 27.12.2013 – 92 M 55/13; AG Rostock v. 23.1.2014 – 63 M 7581/13; AG Meldorf v. 19.2.2014 – 38 M 35/13; AG Neumünster v. 4.4.2014 – 86 M 104/14; AG Ratzeburg v. 11.4.2014 – 14 M 50/14; Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 802d Rn 3 a.E.; Zöller/Stöber, ZPO, 30 Aufl., § 802d Rn 13; Beck OK ZPO/Fleck, Stand 1.1.2015, § 802d Rn 6c ff.).

OLG: Der Gläubiger bestimmt das Verfahren

Der Senat folgt der zuletzt genannten Ansicht. Grundsätzliche Bedenken, Anträge an einen Gerichtsvollzieher von einer Bedingung abhängig zu machen, deren Eintritt der Gerichtsvollzieher selbst ohne Weiteres überprüfen kann, bestehen nicht. Tragendes Prinzip des gesamten Zivilprozessrechts und damit auch des Zwangsvollstreckungsrechts ist die Dispositionsmaxime. Der Gläubiger bestimmt mit seinem Antrag Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffes (Zöller/Stöber, a.a.O., vor § 704 Rn 19). Zwar wird die auf Antrag eingeleitete Zwangsvollstreckung von Amts wegen fortgeführt und sind Voraussetzungen und Grenzen staatlichen Vollstreckungshandelns daher Abmachungen der Parteien grundsätzlich entzogen. Fortzuführen ist das Verfahren aber nur so lange, bis der geltend gemachte Anspruch durchgesetzt ist, der Gläubiger das Verfahren zum Stillstand bringt oder mit Antragsrücknahme beendet (Zöller/Stöber, a.a.O., vor § 704 Rn 20 und 24).

Kein Ausschluss eines bedingten Antrags

Weder aus der in § 802d Abs. 1 S. 2 ZPO getroffenen Anordnung noch aus den Vorschriften über das Schuldnerverzeichnis (§§ 882b ff. ZPO) lässt sich ableiten, dass ein auflösend bedingter Antrag ode...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge