§ 836 Abs. 3 ZPO hilft nicht weiter

Im zwingend zu verwendenden Formular für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist auf Seite 8 grundsätzlich die Auskunfts- und Herausgabepflicht des Schuldners nach § 836 Abs. 3 ZPO zu aktivieren. Nach der bereits im Muster vorgesehenen zweiten Auswahlmöglichkeit hat der Schuldner das über das jeweilige Sparguthaben ausgestellte Sparbuch dem Gläubiger herauszugeben.

Dies setzt aber selbstverständlich voraus, dass der Schuldner auch noch über das Sparbuch verfügt. Ist ihm die Herausgabe unmöglich, weil ihm das Sparbuch bereits im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen wurde, erlischt seine Verpflichtung. Sie lebt erst wieder auf, wenn ihm der Gerichtsvollzieher das Sparbuch zurückgibt, etwa weil ihm nicht im Rahmen der Monatsfrist des § 106 GVGA die Pfändung der Forderung überwiesen wurde oder die Hilfspfändung aus anderen Gründen unwirksam war.

Bestand der Hilfspfändung prüfen

Im konkreten Fall ist zu prüfen, wann der Gerichtsvollzieher die Hilfspfändung ausgebracht hat und wann der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des nachrangigen Gläubigers zugestellt wurde:

Gibt der Gerichtsvollzieher auf eine entsprechende Anfrage keine Auskunft, kann die Information durch eine Akteneinsicht beim Gerichtsvollzieher nach § 760 ZPO erlangt werden. Jeder Person, die bei dem Vollstreckungsverfahren beteiligt ist, muss danach auf Begehren Einsicht der Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Aktenstücke erteilt werden. Werden die Akten des Gerichtsvollziehers elektronisch geführt, erfolgt die Gewährung von Akteneinsicht durch Erteilung von Ausdrucken, durch Übermittlung von elektronischen Dokumenten oder durch Wiedergabe auf einem Bildschirm. Insoweit ist eine Abschrift des Vollstreckungsprotokolles zu verlangen.
Der zweite Sachverhalt kann beim Drittschuldner erfragt werden, widrigenfalls durch eine Einsichtnahme in die Akte des Vollstreckungsgerichtes nach § 299 ZPO geklärt werden.

Handlungsbedarf bei abgelaufener Monatsfrist

Stellt sich danach heraus, dass die Monatsfrist bereits vor der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner, § 829 Abs. 3 ZPO, abgelaufen ist, muss der Gerichtsvollzieher das Sparbuch an den Schuldner herausgeben, der wiederum nach § 836 Abs. 3 ZPO verpflichtet ist, es an den Gläubiger herauszugeben. Soweit der Schuldner dem nicht nachkommt, kann der Gläubiger die Herausgabe im Wege der Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff. ZPO erzwingen.

 

Hinweis

Im Hinblick auf die Verpflichtung des Schuldners aus § 836 Abs. 3 ZPO erscheint es nicht nur prozessökonomisch, sondern auch rechtlich zulässig, dass der nachrangige Gläubiger das Sparbuch unmittelbar dem erstrangigen Gläubiger herausgibt. Gleiches gilt für den Gerichtsvollzieher, wenn der nachrangige Gläubiger ihm – dem Grundsatz des sichersten Weges folgend – das Sparbuch zurückgewährt hat.

Ansonsten: Gibt es ein Rechtsschutzbedürfnis für das Behalten?

Nachdem im geschilderten Fall das Sparbuch schon an den nachrangigen zweiten Gläubiger herausgegeben wurde, ist allerdings zu vermuten, dass er die Monatsfrist eingehalten hat. Trotzdem kann er – zunächst – das Sparbuch nicht nutzen, weil dem der bessere Rang des ersten Gläubigers bei der Kontopfändung entgegensteht. Wie diese Situation aufzulösen ist, ist bisher in der Rechtsprechung nicht geklärt.

Drei denkbare Lösungswege

Denkbar ist insoweit:

Im Hinblick auf das bessere Pfändungspfandrecht des ersten Gläubigers nach § 804 Abs. 3 ZPO spricht man dem zweiten Gläubiger das Rechtsschutzbedürfnis am Besitz des Sparbuches ab und erklärt die Hilfspfändung auf dieser Grundlage für unwirksam. Dies könnte über die Erinnerung nach § 766 ZPO erreicht werden.
Man kann dem erstrangigen Gläubiger aufgrund des vorrangigen Pfandrechtes nach § 804 Abs. 3 ZPO ein (besseres) materielles Recht auf das Sparbuch zuerkennen, so dass ein entsprechender Herausgabeanspruch gegen den nachrangigen Gläubiger im Wege der normalen Klage im Erkenntnisverfahren durchgesetzt werden könnte.
Man erkennt an, dass auch der nachrangige Gläubiger, der ja ebenfalls über ein Pfändungspfandrecht verfügt, irgendwann einen erstrangigen Pfändungsanspruch erwerben kann, weil der erstrangige Gläubiger freiwillig, durch eine andere Vollstreckungsmaßnahme oder eben durch anderes Guthaben befriedigt wird. Ausgehend hiervon wird akzeptiert, dass er aufgrund der früheren Sachpfändung seinen ersten Zugriff auf das Sparbuch bewirkt hat.

Die pragmatische Lösung

Auch wenn nach der hier vertretenen Auffassung die zweite Alternative den Vorzug verdient, birgt die Situation für alle Beteiligten ein Dilemma, weil sie Zeit und ggf. auch Geld für Rechtsmittelverfahren kostet. Dabei ist auch zu sehen, dass die Gläubiger handeln müssen. Anderenfalls können sie sich wegen des erkennbaren Zinsschadens des Schuldners schadensersatzpflichtig machen. Es kann deshalb durchaus pragmatisch sein, eine vergleichsweise Lösung zu suchen, wonach das Guthaben zwischen den G...

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