Leitsatz

Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen.

BGH, 12.1.2012 – I ZB 43/11

1 I. Der Fall

Unterlassungsanspruch gegen GmbH und GF: Behauptungen im Vertrieb

Die SU 1, eine GmbH, ist im Direktvertrieb tätig. Der SU 2 ist deren Geschäftsführer. Das LG hat beiden SU bestimmte Behauptungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Gaslieferungen untersagt. Wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot hat das LG gegen beide SU als Gesamtschuldner ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000 EUR, ersatzweise für je 500 EUR einen Tag Ordnungshaft, zu vollziehen am SU 2, festgesetzt. Die dagegen nur vom SU 2 eingelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen.

2 II. Die Entscheidung

BGH: Nur die Gesellschaft ist SU …

Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen.

Ist Vollstreckungsschuldner eines Unterlassungsgebots ausschließlich eine juristische Person, sind bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung das Ordnungsgeld gegen die juristische Person und die ersatzweise bestimmte Ordnungshaft gegen das Organmitglied festzusetzen, das schuldhaft gegen das Verbot verstoßen hat.

… egal, wer verurteilt wurde

Entsprechendes gilt, wenn auch das Organ neben der juristischen Person Titelschuldner ist und sein schuldhaftes Verhalten, das Gegenstand des Ordnungsmittelverfahrens ist, der juristischen Person nach § 31 BGB zuzurechnen ist. Die juristische Person ist selbst nicht handlungsfähig. Sie handelt durch ihre Organe. Deren schuldhafte Zuwiderhandlung muss sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die juristische Person und ihre Organe nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen setzt daher nur einen schuldhaften Verstoß des Organs gegen das Unterlassungsgebot voraus. Dagegen besteht kein Anlass, aufgrund einer der juristischen Person zurechenbaren schuldhaften Zuwiderhandlung ihres Organs daneben zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen oder dessen gesamtschuldnerische Haftung zu begründen.

Argument: Sinn und Zweck der Ordnungsmittel

Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der Ordnungsmittel nach § 890 ZPO, die neben der Funktion als zivilrechtliche Beugemaßnahme zur Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen auch einen repressiven strafähnlichen Sanktionscharakter haben. Damit ist schwerlich vereinbar, dass aufgrund der von einer natürlichen Person begangenen Zuwiderhandlung ein und dasselbe Ordnungsmittel gegen mehrere Personen festgesetzt wird.

Trotzdem gegen beide vorgehen

Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren nicht überflüssig. Diese erlangt vielmehr ihre Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint. Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat.

3 III. Der Praxistipp

Die Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen

Die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen richtet sich nach § 890 ZPO. Handelt der SU der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf dabei den Betrag von 250.000 EUR, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

Formalien beachten

Der Gläubiger muss beachten, dass der Verurteilung zu einem entsprechenden Ordnungsgeld oder zur Ordnungshaft eine Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO vorausgegangen sein muss. Die entsprechende Androhung kann in das Unterlassungsurteil aufgenommen werden und sollte dementsprechend schon mit der Klageschrift beantragt werden. Wurde dies unterlassen, sollte der Antrag unmittelbar isoliert nachgeholt werden.

Prozessuale Vorteile

Das prozessuale Vorgehen gegen eine juristische Person und ihre Organe kann prozesstaktische Vorteile erbringen. So kommt das Organ zum Nachweis, dass den rechtlichen Verpflichtungen genügt wurde, nicht in Betracht. Die Entscheidung des BGH lässt ausdrücklich die Option offen, gegen beide als Anspruchsgegner vorzugehen.

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