Teilrechtskraft

Wird ein ganz oder teilweise Klage zusprechendes Urteil nur teilweise angefochten, so wird es hinsichtlich des nicht angefochtenen Teils gleichwohl nicht rechtskräftig (Zöller-Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 537 Rn 1). Da die Sicherheitsleistung nur bei einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu erbringen ist, kann die Zwangsvollstreckung nach §§ 750, 704 ZPO deshalb nur dann ohne Sicherheitsleistung beginnen, wenn die Vollstreckbarkeit angeordnet wurde.

Voraussetzung: Vollstreckbarkeitserklärung

Der Gesetzgeber hat diese Situation gesehen und sie in § 537 ZPO einer Regelung zugeführt. Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des ersten Rechtszuges ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angefochten wird, auf Antrag von dem Berufungsgericht für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Entscheidung ist allerdings erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zulässig.

 

Hinweis

Eine entsprechende Regelung findet sich für das Revisionsverfahren in § 558 ZPO.

Zu dem dem Anwaltszwang nach § 78 ZPO unterliegenden Antrag wird der Gegner grundsätzlich gehört. Allerdings bleibt unerheblich, wenn dieser die Erfüllung behauptet. Diesen Einwand muss er dann nach § 767 ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage verfolgen. Das Gericht entscheidet dann durch Beschluss. Der Beschluss ist unanfechtbar. Durch ihn wird die erstinstanzliche Anordnung der Sicherheitsleistung hinfällig.

 

Hinweis

Der Bevollmächtigte muss darauf achten, dass für das Verfahren auf Vollstreckbarkeitserklärung eine gesonderte Kostengrundentscheidung ergeht. Erfüllt die unterlegene Partei den nicht angefochtenen Teil des Urteils nicht sofort, ist es gerechtfertigt, ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Wird die Entscheidung vergessen, muss nach § 321 ZPO die Ergänzung des Beschlusses beantragt werden. Dabei ist dessen Befristung zu beachten. Um einem solchen Versehen vorzubeugen, sollte schon im Antrag auf die Kostengrundentscheidung hingewiesen werden.

Besonderer Vorteil: die Vergütung

Für den Bevollmächtigten des Gläubigers hat diese Vorgehensweise auch vergütungsrechtlich Vorteile. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 9 RVG gehört der Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung grundsätzlich zum Rechtszug. Allerdings ist der nicht angefochtene Teil einer obsiegenden Entscheidung nicht im Rechtsmittelzug anhängig geworden. Anderes gilt nur dann, wenn der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel nachträglich beschränkt oder die Parteien auch über den nicht angegriffenen Teil im Rechtsmittelverfahren verhandeln (OLG Hamburg MDR 1982, 945). Ist der für vollstreckbar zu erklärende Teil jedoch gar nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, handelt es sich um eine eigene Angelegenheit im Sinne der Nr. 3329 VV RVG, für die Gebühren gesondert entstehen (LG Bonn AGS 2001, 76).

Verfahrensgebühr fällt an

Nach Nr. 3329 VV RVG fällt für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung der durch Rechtsmittelanträge nicht angefochtenen Teile eines Urteils nach §§ 537, 558 ZPO eine 0,5-Verfahrensgebühr an. Diese kann nach Nr. 1008 VV RVG um eine 0,3-Mehrvertretungsgebühr für jeden weiteren Auftraggeber mit der gesetzlichen Deckelung zu erhöhen sein. Kommt es erst in der mündlichen Verhandlung über das Rechtsmittel zu einer Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung, fällt zusätzlich eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3332 VV RVG an.

 

Hinweis

Der Gegenstandswert ist nach § 33 RVG auf Antrag festzusetzen. Zum Teil wird auf die volle Hauptforderung, die Gegenstand der Vollstreckung ist, abgestellt (LG Bonn AGS 2001, 76; Schneider, in: AnwK RVG, 8. Aufl., Nr. 3329 VV RVG Rn 24 m.w.N.), teilweise wird ein deutlicher Abschlag von 80 bis 95 % für gerechtfertigt erachtet (OLG Hamm FamRZ 1994, 248; OLG Frankfurt JurBüro 1996, 312; OLG Koblenz RVG professionell 2010, 177).

Berechnungsbeispiel

Der Fall der Leserin zeigt, dass der Antrag lukrativ sein kann:

 
Gegenstandswert: 6.000 EUR  
0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3329 VV RVG 177,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Nettovergütung 197,00 EUR
zuzüglich Umsatzsteuer 37,43 EUR
Bruttovergütung 234,43 EUR

Keine Gerichtsgebühren

Gerichtsgebühren fallen für das Verfahren nicht an, da das Gerichtskostengesetz keine entsprechende Kostenziffer kennt.

Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel

FoVo 5/2017, S. 84 - 86

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