Achtung: Ist der Gläubiger überhaupt beschwert?

Der Gläubiger hatte in seinem Vollstreckungsantrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes weder einen konkreten Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgeldes genannt. Das warf die Frage auf, ob er bei der Festsetzung eines wie auch immer gearteten Ordnungsgeldes beschwert sein könne. Für den BGH kein Hindernis: Die Beschwer ergebe sich bereits daraus, dass der Beschluss des OLG durch die Ermäßigung des Ordnungsgeldes für den Gläubiger nachteilig vom Beschluss des LG abweiche.

 

Hinweis

Die Situation kann sich also anders darstellen, wenn der Gläubiger keine Angaben macht, das Prozessgericht von seinem Ermessen Gebrauch macht und der Gläubiger dann Beschwerde einlegt, weil er das festgesetzte Ordnungsgeld für zu gering hält. Hier kann die Beschwer fehlen. Der Gläubiger muss also die Eröffnung des Beschwerdeweges gegen die Gefahr abwägen, einen Teil der Kosten tragen zu müssen, weil das Prozessgericht hinter der mitgeteilten Größenordnung zurückbleibt (vgl. hierzu OLG Düsseldorf VuR 2015, 71, 72 m.w.N.; BGH NJW 2015, 1829 = FoVo 2015, 168).

Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts war fehlerfrei

Das OLG hat das gegen die Schuldnerin festgesetzte Ordnungsgeld nach Ansicht des BGH ohne Rechtsfehler auf 750 EUR ermäßigt und es bei der festgesetzten Ersatzordnungshaft von vier Tagen belassen. Dabei stand der Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung dadurch, dass das Video von der Internetseite nicht beseitigt wurde, nicht ernsthaft in Streit.

 

Hinweis

Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, ist mangels abweichender Anhaltspunkte regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Unterlassung derartiger Handlungen, sondern auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands umfasst (BGH GRUR 2016, 720 m.w.N.; zum Vorliegen abweichender Anhaltspunkte vgl. etwa BGH GRUR 2015, 190). So verhält es sich, wenn die Nichtbeseitigung des Verletzungszustands gleichbedeutend mit der Fortsetzung der Verletzungshandlung ist.

Zustellung und Verschulden

Zu befolgen ist eine Unterlassungsverfügung ab dem Zeitpunkt der Zustellung nach § 922 Abs. 2 ZPO (BGH GRUR 2015, 196). § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO setzt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter ein Verschulden des Schuldners voraus (vgl. BVerfGE 58, 159; BVerfG NJW-RR 2007, 860). An beiden Voraussetzungen war nicht zu zweifeln.

Kern der Entscheidung des BGH war die Frage, nach welchen Kriterien die Höhe des Ordnungsgeldes zu bestimmen ist. Bei der Wahl und Bemessung der Ordnungsmittel steht dem Gericht ein Ermessen zu, das nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann.

 

Checkliste: Was der BGH bei der Ermessensausübung erwartet

Der BGH stellt verschiedene Kriterien auf, an denen sich die Ermessensausübung messen lassen muss:

Wurde der präventive Zweck des Ordnungsmittels gesehen, d.h. das Ziel, künftige Verstöße zu vermeiden?
Wurde der repressive Zweck des Ordnungsmittels gesehen, d.h. den begangenen Verstoß strafähnlich zu sanktionieren?
Wurden Art, Umfang, Dauer der Verletzung festgestellt?
Wurde der Verschuldensgrad gesehen?
Wie ist der Vorteil des Verletzers beschaffen?
Welche Auswirkungen haben begangene und mögliche künftige Verletzungshandlungen für den Verletzten?
Welche wirtschaftlichen Verhältnisse sind beim Verletzer zu sehen?

Streitpunkt: wirtschaftliche Verhältnisse des Verletzers

Im Streit war vor allem, ob die bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin (Hartz IV) berücksichtigt werden konnten. Oder schärfer ausgedrückt: Kann ein armer Schuldner machen, was er will, da eine Unterlassungsverfügung letztlich in ihrer Wirkung ins Leere läuft? Der BGH will die wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt sehen. Die Wirkung erziele die Festsetzung gleichwohl.

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setze ein Verschulden des Schuldners voraus. Nach dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen die Strafe oder die strafähnliche Sanktion und dementsprechend auch das Ordnungsgeld in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung und dem Verschulden des Zuwiderhandelnden stehen. Nach dem Grundsatz der Opfergleichheit seien bei der Verhängung einer Geldstrafe und dementsprechend bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters oder des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Sanktion bei vergleichbaren Straftaten oder Zuwiderhandlungen unterschiedlich bemittelte Täter oder Zuwiderhandelnde gleich schwer trifft. Die Verhängung der Geldstrafe in Tagessätzen nach § 40 StGB diene der Verwirklichung dieser Grundsätze. Daher könne diese Vorschrift bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes entsprechend angewandt werden.

Zu rechnen ist nach Tagessätzen

Bei der Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nach dem BGH also zunächst anhand der allgemeinen Strafzumessungsregeln die Tagessatzanzahl zu bestimmen. Dies...

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