Direktversicherung ist pfändbar

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls als zukünftige Forderung pfändbar (BGH FoVo 2011, 9).

Entscheidend: Gesicherte Position vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Auch § 91 Abs. 1 InsO vermag die Aufhebung des vom Beschwerdegericht auf die zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin auf Auszahlung der Versicherungssummen beschränkten PfÜB nicht zu begründen. Danach können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegen. Wird eine künftige Forderung gepfändet, entsteht das Pfandrecht erst mit der Begründung der voraus gepfändeten Forderung. Wegen § 91 Abs. 1 InsO kann in diesem Fall der Pfandgläubiger an der Forderung zu Lasten der Masse kein Pfandrecht erwerben. Dies gilt auch für die Pfändung einer aufschiebend bedingten Forderung. § 91 Abs. 1 InsO schont jedoch solche Erwerbsanwärter, die bereits eine gesicherte Rechtsstellung an dem Erwerbsgegenstand erworben haben. Wenn der Pfandrechtsgläubiger schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der gepfändeten Forderung erlangt hat, ist die Pfändung insolvenzfest (BGH WM 2012, 549; BGH BGHZ 191, 277; BGH WM 2013, 1040). Diese Grundsätze gelten auch für die Pfändung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung im Sinne von § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG.

Rechtserwerb schon vor der Insolvenz oder nach deren Beendigung

Die Regelungen der §§ 80 ff. InsO gelten nur für die Dauer und die Zwecke des Insolvenzverfahrens. Über den Wortlaut des § 91 Abs. 1 InsO hinaus reicht ein Rechtserwerb irgendwann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens deshalb nicht aus; er muss vielmehr vor Beendigung des Verfahrens erfolgen. Eine Anwendung des § 91 Abs. 1 InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kommt nur in Betracht, wenn und soweit es sich um einen der Nachtragsverteilung nach § 203 Abs. 1 InsO unterliegenden Gegenstand der Masse handelt.

Nach Beginn der Wohlverhaltensphase endet § 91 InsO

Vorliegend begann spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der Vollstreckungserinnerung am 29.11.2010 die Wohlverhaltensphase. Dies setzt eine vorherige Beendigung des Insolvenzverfahrens voraus (MüKo-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 291 Rn 35; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., Vorbemerkung zu § 286 Rn 40). Ein durch § 91 Abs. 1 InsO möglicherweise gesperrter Pfändungspfandrechtserwerb hätte sich daher nach Verfahrenseröffnung und vor dem 29.11.2010 vollziehen müssen. Davon ist nicht auszugehen.

Zeitpunkt des Rechtserwerbs bestimmt sich nach Versicherungsvertrag

Bei einer Direktversicherung handelt es sich nach der Legaldefinition des § 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG um eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers, die durch den Arbeitgeber für die betriebliche Altersversorgung abgeschlossen und bei der das Bezugsrecht ganz oder teilweise dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen eingeräumt wird. Das Rechtsverhältnis des Arbeitgebers zum Versicherer und damit auch das dem Arbeitnehmer eingeräumte Bezugsrecht richten sich allein nach dem Versicherungsvertrag. Demgegenüber beurteilen sich die auf die Versicherung bezogenen Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis. Ob es zu einem Rechtserwerb der Schuldnerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gekommen ist, beurteilt sich nach den Regelungen des Versicherungsvertrags. Vorausgesetzt ist der Eintritt eines die Schuldnerin berechtigenden Versicherungsfalls vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Der jeweilige Erlebensfall sollte erst im Laufe des Jahrs 2014 eintreten, mithin nach Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Ein früherer Eintritt des Versicherungsfalls ist nicht ersichtlich. § 6 BetrAVG ist nicht einschlägig. Diese Bestimmung regelt das arbeitsrechtliche Versorgungsverhältnis, schafft jedoch keinen Versicherungsfall im Sinne des § 159 VVG (BAGE 79, 360, 366 ff.; zu § 166 VVG a.F.). Dass in den streitbefangenen Versicherungsverträgen der Versorgungsfall des § 6 BetrAVG zum Versicherungsfall bestimmt worden wäre, ist nicht festgestellt. Auf die Frage, ob der Gläubiger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

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