I. Das Problem

SU hat Anspruch auf rechtliches Gehör

Der Vollstreckungsauftrag ist dem Gerichtsvollzieher (GV) in zweifacher Ausfertigung zu übermitteln. Dies hat der BGH zum Auftrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung eines Schuldners nach altem Recht entschieden (BGH NJW 2012, 8) und seine Entscheidung damit begründet, dass dem Schuldner ein Exemplar des Auftrags zur Wahrung eines rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG und zur Wahrung eines fairen Verfahrens nach Art. 3 GG zuzuleiten ist. Die Entscheidung sollte analog auch für andere Arten der Auftragserteilung gelten. Dem Schuldner ist grundsätzlich das rechtliche Gehör zu gewähren, gleich ob der Gläubiger z.B. einen Haftbefehl vollstrecken möchte, die Durchsuchung der Wohnung ansteht oder ein "ganz normaler" Sachpfändungsauftrag erteilt wird. Nur wenn der Schuldner weiß, welchen Auftrag der Gläubiger konkret erteilt hat, kann er entscheiden, ob und in welchem Umfang er sich gegen eine Vollstreckungsmaßnahme zur Wehr setzt. Was aber, wenn dem Vollstreckungsauftrag gleichwohl keine Abschrift beigefügt wird?

II. Die Lösung

Kein Ablehnungsrecht des GV

Der GV ist in diesem Fall nicht berechtigt, die Durchführung des Auftrags abzulehnen, wenn die Abschrift fehlt bzw. der Gläubiger diese nach Anforderung nicht fristgerecht dem GV übermittelt. Nach Ansicht des BGH (a.a.O.) hat "der GV dem Schuldner mit der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags zuzustellen. Er kann den Gläubiger auffordern, eine solche Abschrift einzureichen, ist aber nicht berechtigt, das Zwangsvollstreckungsverfahren einzustellen, wenn der Gläubiger dieser Aufforderung nicht nachkommt."

§ 133 ZPO fordert Abschrift sanktionslos

Grundsätzlich sei nach § 754 ZPO, § 4 Abs. 1 S. 1 GVGA die mündliche Auftragserteilung möglich. Jedoch komme § 133 ZPO bei schriftlicher Auftragserteilung zur Anwendung, wonach die erforderliche Zahl von Abschriften beigefügt werden soll. Da es sich bei § 133 ZPO um eine Soll- und keine Muss-Vorschrift handele, gebe es aber – so der BGH – keine Rechtfertigung zur Einstellung des Verfahrens, wenn Gläubiger der Aufforderung zur Übermittlung von Abschriften nicht fristgerecht nachkommen. Die Nichtbeachtung der Aufforderung habe keinen Nachteil für die Partei; auch keine Präklusion zur Folge.

Achtung: GV kann kostenpflichtig agieren!

Allerdings ist der GV berechtigt, auf Kosten des Gläubigers die erforderlichen Abschriften selbst herzustellen. Die erste bis 50. Kopie verursacht Kosten von 0,50 EUR (in Farbe 1,00 EUR), jede weitere Kopie 0,15 EUR (in Farbe 0,30 EUR), Nr. 700 KV GVKostG. Eine Zurückstellung des Auftrags bis zur Vorlage der Abschriften durch den Gläubiger darf nicht erfolgen. Die Selbstherstellung ist dem GV auch zumutbar; sein Inkassorisiko sei nur gering, denn der GV könne einen Vorschuss anfordern und bis zur Zahlung des Vorschusses die Durchführung des Vollstreckungsauftrags zurückstellen. Der GV kann aber ggf. die Kosten im Rahmen einer Nachforderung vom Gläubiger einfordern, zahle dieser nicht, könne die Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben werden (vgl. dazu § 4 Abs. 2 S. 3 GVKostG).

 

Hinweis

Welche Verfahrensweise für den Gläubiger kostengünstiger ist, muss abgewogen werden. Der Aufwand in personeller, maschineller und sachlicher Hinsicht, einschließlich Papier und Mehrporto, muss gegen die genannten Kosten nach dem GvKostG abgewogen werden. Die Frage entscheidet sich nicht zuletzt am Umfang des jeweiligen Auftrages.

Anfechtungen vermeiden

Will der Gläubiger nicht riskieren, dass der SU eine Vollstreckungsmaßnahme wegen der Verletzung seines rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise anficht, sollte er seinem Auftrag an den GV generell eine Abschrift beifügen. Denn in der Praxis ist zu beobachten, dass viele GV die Entscheidung des BGH nicht kennen und vollstrecken, ohne dem Schuldner die Abschrift zu übergeben.

 

Tipp

Reichen Sie den Vollstreckungsauftrag in Duplex-Druck (doppelseitig) ein oder fordern Sie den GV unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH gezielt auf, die erforderliche Anzahl an Abschriften herzustellen.

Autor: Von Rechtsfachwirtin Sabine Jungbauer , München

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