Keine gesetzliche Frist …

Der Gesetzgeber hat für die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Haftbefehls in § 802g Abs. 1 keine Frist vorgesehen, was für eine zeitlich unbegrenzte Antragsstellung sprechen könnte.

… aber Verfassungsrecht?

Gleichwohl ist eine zeitliche Begrenzung aufgrund verfassungskonformer Auslegung vorzunehmen. Dabei ist in Anlehnung an § 185a Nr. 2 lit. a Abs. 2 Satz 4 GVGA a.F. (dazu unten) im Regelfall der Antrag innerhalb von sechs Monaten zu stellen.

Möglichkeit verfassungskonform …

Die Möglichkeit, einen Haftbefehl zu beantragen, um die Abgabe der Vermögensauskunft zu erzwingen, verstößt nicht gegen das Grundgesetz (vgl. BVerfGE 48, 396 ff.; BVerfGE 61, 126 ff.).

… aber Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Jedoch muss das dabei zu beachtende Verfahren dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, wobei im Hinblick auf den hohen Rang der persönlichen Freiheit des Schuldners strenge Maßstäbe anzulegen sind. Abzuwägen ist zwischen den Freiheitsrechten des Schuldners und dem ebenfalls grundrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Anspruch des Gläubigers auf eine effektive Vollstreckung.

Ständige Gefahr der Verhaftung

Aus der Sicht des Schuldners spricht für eine zeitliche Begrenzung des Antragsrechts des Gläubigers, dass er nach dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht über die Antragsstellung des Gläubigers und auch nicht über den Erlass eines Haftbefehls informiert wird, sondern erst bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls erhält (§ 802g Abs. 2 Satz 2 ZPO). Bei zeitlich unbegrenzter Antragsstellung wäre der Schuldner ständig der Gefahr einer Verhaftung ausgesetzt.

Zwischenzeitlicher Vermögenserwerb

Auch ist es denkbar, dass der Schuldner zwischenzeitlich Vermögen erworben hat, so dass der Gläubiger, ohne in die Freiheitsrechte des Schuldners eingreifen zu müssen, durch Pfändung seine Rechte durchsetzen kann. Der Erlass eines Haftbefehls und dessen Vollstreckung sind dann nicht erforderlich.

Dispositionsbefugnis des Gläubigers

Verfassungsrechtlich bedenklich ist ferner, dass der Zeitpunkt des Erlasses des Haftbefehls im Belieben des Gläubigers steht und dieser damit ohne persönliches Risiko letztlich die Verhaftung des Schuldners durchsetzen lassen kann, auch wenn die Verhaftung unverhältnismäßig wäre.

Zwangsvollstreckung kennt zeitliche Grenzen

Eine zeitliche Begrenzung der Zwangsvollstreckung ist dem Zwangsvollstreckungsrecht nicht unbekannt. So wird auch im Rahmen der Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses nach § 758a Abs. 1 ZPO verlangt, dass der Vollstreckungsversuch in angemessenem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsanordnung stehen muss (vgl. Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 758a Rn 20 a.E.). Im Rahmen des bis zum 31.12.2012 geltenden § 807 Abs. 1 Nr. 1 ZPO a.F. wurde davon ausgegangen, dass im Regelfall seit dem Tag des bescheinigten erfolglosen Vollstreckungsversuchs nicht mehr als sechs Monate vergangen sind (vgl. § 185a Nr. 2 lit. a Abs. 2 Satz 4 GVG a.F.).

Gefahr des Rechtsmissbrauchs

Schließlich könnte bei einer unbefristeten Antragstellung der Gläubiger ohne ersichtlichen Grund missbräuchlich auf die Vollziehungsfrist eines Haftbefehls von zwei Jahren (§ 802h Abs. 1 ZPO) Einfluss nehmen, eine Frist, die gerade verfassungsrechtliche Bedenken berücksichtigen wollte, als es eine zeitliche Befristung noch nicht gab (erst mit Wirkung zum 1.1.1999 aufgrund des zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften – 2. Zwangsvollstreckungsnovelle – vom 17.12.1997 hat der Gesetzgeber die zeitliche Befristung der Vollziehung des Haftbefehls auf drei Jahre – § 909 Abs. 2 ZPO a.F. – eingeführt)

Keine Beeinträchtigung des Gläubigers?

Das Interesse des Gläubigers an einer effektiven Vollstreckung wird nun nicht dadurch unverhältnismäßig beeinträchtigt, dass man von ihm eine zeitlich befristete Entscheidung darüber verlangt, ob er von seinem Antragsrecht nach § 802g Abs. 1 S. 1 ZPO Gebrauch machen will oder nicht.

Im Übrigen Rechtsschutzbedürfnis

Selbst wenn man eine generelle zeitliche Begrenzung ablehnt, muss man hier das Antragsrecht der Gläubigerin mangels Rechtsschutzbedürfnisses verneinen. Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt. Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Vorliegend hat die Gläubigerin überhaupt keine Ausführungen gemacht, weshalb erst nach einem Jahr der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gestellt wird.

Auch das noch: Antragsrecht verwirkt!

Im Übrigen ist das Antragsrecht vorliegend verwirkt. So hat die Gläubigerin sich verspätet auf ihr Antragsrecht berufen (Zeitmoment) und ist unter Verhältnissen untätig geblieben, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (Umstandsmoment). Eine Festlegung auf eine abstrakte Frist, ab der stets von dem Vorliegen des Zeitmoments f...

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